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„Eine intensivere Zeit habe ich nie zuvor erlebt“

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Ich hatte das Gefühl, durch den bewussten Umgang mit unserem Projekt an den existenziellen Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen wollten, erst wirklich zu wachsen. Eine Entscheidung, die du durchziehst, macht dich stark. Ein Ideal, dem du aus Liebe folgst, führt dich durch alles, was zuerst unmöglich scheint und an dem du am Ende gewachsen bist.

von Katja aus Deutschland

Porträt Katja

Am Beginn unserer Arbeit an unserem künstlerischen Abschlussprojekt stand eine Entscheidung: die Entscheidung, ob wir überhaupt ein Projekt machen wollten. Das heißt, ob wir überhaupt so viel Zeit und Kraft investieren, ja opfern wollten… Denn: Es braucht Mut um zu vertrauen. Es braucht Mut zur eigenen Kraft.

Später zeigte sich dann, wie notwendig es gewesen war, diese Entscheidung bewusst zu treffen. Gerade wenn es wirklich schwierig wurde, wenn der Sinn der ganzen Sache einem nicht mehr einfallen wollte, mussten auf dieses „Ja, ich will“ zurückgreifen, um es zu einem glücklichen Ende zu bringen.

Klar war uns aber immer, dass wir uns wirklich damit auseinandersetzen wollten, was dieses Projekt mit uns macht.

 

Ein Projekt in Stufen wie das Leben

Im Laufe unserer Arbeit schien uns, dass die Phasen, durch die wir mit unserem Projekt gingen, vielleicht für alle lebendigen Prozesse gelten. Im ersten Schritt geht es um das Zusammenfinden. Man fühlt sich geradezu verliebt. Im zweiten Schritt kommt dann die erste Krise: Willst du das wirklich? Man muss sich den ersten Hürden stellen. Im dritten Schritt heißt es dann, verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Man muss noch einmal innerlich „Ja“ zu seinem Vorhaben sagen. Im vierten Schritt geht es dann erst wirklich an die Arbeit, während im abschließenden fünften Schritt zuletzt die Trennung folgt. Sie kann kurz oder langwierig sein, endgültig oder auch nur zeitweilig.

Zuerst bewegten wir uns von unseren Wünschen, Ängsten und Vorstellungen, von denen wir uns gegenseitig erzählten – jeder so offen wie er wollte –, zu den ersten konkreten Fragen: Ein nachhaltiges Üben muss wie ein Verliebtsein sein. Was trägt mich? Fühle ich, dass es mein Projekt ist? Die Schwierigkeit macht, dass ich stark werde. Gegenkräfte ausbilden. Nur in einem Gefühlszustand zu bleiben ist ungesund (nur lachen/nur weinen). Was ist Lust/Unlust – Was ist Wille? Was kann ich, was nicht?

Jeder berichtete in der Runde der Freunde von seinen Vorstellungen zu unserem noch nicht vorhandenen Projekt. Da wir viele und sehr unterschiedliche Menschen waren, kam eine riesige Bandbreite an sehr unterschiedlichen Themen und Ideen für deren Umsetzung zum Vorschein: Ich und Welt, Licht und Dunkelheit, Wie wirkt meine Vergangenheit auf mein jetziges Ich?, Wie finde ich mich?, starke Gefühle, Feuershow draußen, Vergangenheit und Zukunft, Die Wichtigkeit kleiner, entscheidender Momente, bewusstes Leben, Wie groß kann unsere Ideenwelt sein?, Feuer usw. usf.

 

Auf der Suche nach der eigenen Kultur

Jeder ging dann auf die Suche nach Gedichten, Zitaten, Texten, schrieb eigene Texte, übte Lieder oder Tanz. Wir wollten uns auch bewusst mit den Kulturen unserer Heimat beschäftigten, da sie uns maßgeblich prägen. Anhand des künstlerischen Ausdrucks einer Kultur, zum Beispiel in einem Volkstanz, kann man gut die Mentalität eines Landes erleben und studieren. Es ging uns immer wieder um die Frage, wie sich die Kultur, die ein Teil von mir ist, in mir individuell zeigt und mich dabei verwandelt: Wo komme ich her? Wo bin ich jetzt? Wo will ich hin?

Wir entschlossen uns endlich zu einer ganzen Vielfalt von Aktivitäten als unserem Projekt: einen georgischen Tanz, der vor Kraft nur so strotzte, Tanz, Bauchtanz, Sprachgestaltung und Improvisation-Theater, Gruppenspiele, philosophische Gespräche, Texte schreiben, musizieren, Bühnenbild & Plakat malen und viel Proben…

Um uns zu motivieren, entschlossen wir uns, mit dem Spiel „Ja, das machen wir“ zu beginnen. Dabei gehen alle Beteiligten im Raum umher, bis einer laut einen Vorschlag macht, zum Beispiel “Lasst uns alle alt sein!“. Daraufhin springen alle in die Luft und rufen: „Ja! Das machen wir!“ Und dann machen alle das, bis der nächste Vorschlag kommt, und so geht es weiter. Immer wieder wurden Situationen herbeigeführt, die jeden auf seine Weise herausforderten.

 

Eine intensivere Zeit als diese habe ich nie zuvor erlebt

Dieses und andere Gemeinschaftsspiele und Durchhalteübungen, die wir spielten, sollten uns auch für unser Projekt und was es mit uns macht noch bewusster machen. Bei den meisten ging es deshalb um das Verhältnis von uns als einzelnen Menschen zur Gruppe, deren Teil wir sind. Sie trugen sehr dazu bei, dass wir besser verstehen konnten, welch großes Maß aufmerksamer Wachheit und Verantwortung für das Wohlergehen des Einzelnen durch alle Beteiligten notwendig ist, damit sich alle willkommen fühlen und auf ihre Weise zur Geltung kommen können. Oft kamen wir anhand dieser Übungen an Grenzen. Fragen wie „Ist das nicht zu gefährlich?!“ „Muss ich das machen?“ und “Warum machen wir das? Ich kann nicht mehr!“ kamen auf und stellten uns tagtäglich vor die Entscheidung: „Willst du das hier wirklich?“

Ich hatte das Gefühl, durch die bewusste Auseinandersetzung mit unserem Projekt an den existenziellen Fragen erst wirklich zu wachsen. Eine Entscheidung, die du durchziehst, macht dich stark. Ein Ideal, dem du aus Liebe folgst, führt dich durch alles, was zuerst unmöglich scheint und an dem du am Ende gewachsen bist.

Eine intensivere Zeit als diese habe ich nie zuvor erlebt.