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Vertrauen in die Dinge haben

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Am Anfang stand der starke Wille, sich ein Projekt bewusst vorzunehmen. In den ersten beiden Trimestern hatte ich daran gezweifelt, ob ich ein Projekt in dieser Weise überhaupt machen wollte: als ein gemeinsames Theaterstück. Im Laufe des zweiten Trimesters änderte sich meine Einstellung jedoch. Ich hatte auf einmal die Motivation, mich selbst zu überwinden. Die zu erwartende Anstrengung wurde für mich zu einem Ausdruck meiner Freiheit – etwas, das ich will und suche. Und es entstand Freude in mir an der Initiative, Dinge um ihrer selbst Willen zu tun, weil ich es will, nicht weil mich irgendetwas von außen dazu antreibt.

von Fiona aus Deutschland

Portrait Fiona

Wir hatten eine Menge mit Leuten aus den höheren Trimestern über die Schwierigkeiten und Chancen, die diese Arbeit bringen könnte, gesprochen. Wir waren uns deshalb einiger Dinge bewusst, die uns alle, glaube ich, während des gesamten Prozesses wie „Leitplanken“ vor dem Entgleisen geschützt haben. Dazu gehörten meiner Meinung nach das Vertrauen, dass am Ende etwas dabei herauskommen würde und die  Ausdauer, dass es anstrengend werden würde und man nicht bei der ersten kleinen Hürde aussteigen würde. Und die Kompromissbereitschaft, Offenheit mitzubringen für alles, was kommt.

Suche alles, was interessant ist

Die Arbeit am Projekt kann man in zwei Abschnitte gliedern. Die erste Hälfte beschäftigten wir uns mit dem Sammeln von Ideen und Material. Es ging darum, alles zu suchen, was in irgendeiner Weise interessant war. Einerseits in der Welt, andererseits in uns selbst. Das war eine sehr freie und intensive Arbeit. Ich habe es genossen, endlich einen Anlass zu haben über Themen zu schreiben, die mich schon lange interessierten. Alles war möglich, es gab keine Einschränkungen.

Eine Sache die ich lernen musste, war, unfertige, vielleicht noch mangelhafte Dinge dennoch in die Welt zu bringen. Es ging darum den Anspruch aufzugeben, alles, was ich produziere, müsste irgendwie genial sein, und einfach frei heraus Dinge in die Welt zu setzen und dazu zu stehen. Denn dadurch standen sie als Material allen zur Verfügung, konnten inspirieren und weiterverarbeitet werden.

Ein Projekt entwickelt sich, wenn Du Dich entwickelst

Ich glaube, dass sich das Projekt nur entwickeln konnte, weil wir uns entwickelt haben. Jeder musste neben der gemeinsamen Entwicklung auch eine individuelle durchmachen. Und ich glaube, da sind wir alle irgendwie ziemlich an unsere Grenzen gekommen. Mir selbst fiel es echt schwer, mich wirklich auf die ganzen Übungen und Theaterspiele einzulassen. In mir gab es enorme Widerstände, die verhindern wollten, dass ich mich wirklich darauf einlassen konnte, aus mir heraus mich ausdrücke – egal, was daraus wird. Das hatte viel mit Angst zu tun – so sehr, dass es oft selbst dann nicht ging, wenn ich es unbedingt wollte. Es war bitter, aber auch sehr hilfreich, so die eigenen Unfähigkeiten zu spüren.

Am meisten haben uns unsere Treffen außerhalb des Unterrichts weitergebracht, z.B. abends im Wohnzimmer. Weil das von uns selbst kommen musste und mehr Kraft kostete. Da waren wir wirklich auf uns gestellt und vielleicht am aktivsten und intensivsten bei der Sache. Es hat uns zusammengeschweißt.

Ich glaube es gab keinen Moment, an dem das Projekt für irgendjemanden von uns wirklich einmal in Frage stand. Natürlich ging´s jedem mal schlecht. Aber die Grundhaltung war, dass wir das wollen. Und das hat getragen!

Aus der Vielfalt ins Konkrete

Besonders eindrücklich habe ich den Anfang der zweiten Projekt-Hälfte in Erinnerung. Es galt nun aus der Vielfalt an Ideen, die wir geschaffen hatten, das Projekt sich formen zu lassen. Das Besondere war, dass das Projekt ab einem bestimmten Moment schon wie da war, obwohl es uns selbst noch gar nicht konkret bewusst war. Jeden Tag nahm es für uns ganz unerwartet eine andere Gestalt an, ergaben sich neue, ungeahnte Perspektiven. Kleine Details veränderten das Projekt, gaben ihm eine andere Färbung, stellten neue Zusammenhänge her. In einem Moment glaubte man die Gesamtrichtung schon zu sehen, im nächsten war alles wieder ganz anders.

Die Kunst lag darin, sich nicht auf etwas zu versteifen, immer wieder neugierig zu sein, in Frage zu stellen und entstehen zu lassen, was entstehen wollte. Unser Projekt hatte eine Eigendynamik, wuchs wie eine Pflanze im ständigen Wandel. Manches an ihm verschwand wieder, andere Motive tauchten erneut auf. Und vor allem wurde es immer persönlicher.

Geburt eines Projekts

Ja, und dann haben wir das Projekt, unser „Kind“, in wenigen Tagen auf die Welt gebracht. Jetzt wurde es erst richtig anstrengend, denn es folgte die Ausarbeitung. Lange Wochenenden verbrachten wir mit den Kostümen, den Plakaten, technischen Durchlaufproben und vielem mehr. An allen Details musste gearbeitet werden. Die Rollen bildeten sich an uns und wir entwickelten uns an den Rollen.

Dann begannen die Aufführungen. Es war spannend zu beobachten, wie jede Aufführung einzigartig war. Abhängig vom Publikum und von uns hatte jede einen anderen Charakter.

Für mich war es eine unglaubliche Herausforderung, vor Publikum zu spielen, in der Rolle zu bleiben, nicht herauszufallen und auch zum Zuschauer zu werden. Ich musste große Kraft aufwenden, mich selbst zu überwinden. Erst bei der vorletzten Aufführung  konnte ich das Spielen richtig genießen, stand als ganze Persönlichkeit und gerne auf der Bühne. Aber genau für diese Momente hat es sich gelohnt.

Vertrauen in die Dinge zu haben ist vielleicht das Eindrücklichste, was ich während des Projekts gelernt habe.