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Einweihung im alten Ägypten und heute

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von Lea Stocker //

Das Thema der Einweihung ist während unserer Reise durch Ägypten und dessen verschiedenen zeitlichen Perioden des öfteren aufgekommen. Es hat mich auch schon davor beschäftigt bei der vorbereitenden Lektüre von Frank Teichmanns Buch: „Der Mensch und sein Tempel – Ägypten“ und im Studieren des Vortragszyklus von Rudolf Steiner „Ägyptische Mythen und Mysterien“ (GA 106). Bruno Sandkühlers Aussagen nach ist das Thema vom fachlichen Standpunkt her auch schwierig zu diskutieren, weshalb er es lieber ein wenig ausgespart hatte.

Dies ist ein Versuch ein paar der Gedanken zum Thema zusammenzufassen und der Frage: „Was war die ägyptische Einweihung und wie kann man heute noch den ägyptischen Einweihungsweg als Vorbild nehmen?“ nachzugehen.

Die Frage der Einweihung ist meiner Meinung fast unumgänglich, wenn man sich mit dem alten Ägypten, der Pharaonenherrschaft und deren Priestern beschäftigt.
Es gibt viele Spekulationen über Einweihungszeremonien, aber kaum konkrete Beweise und Hinweise darauf in den Hieroglyphen und Bildern. Vielleicht kommen wir dem Verständnis dieses doch recht mystisch anmutenden Themas ein wenig weiter, wenn wir das allgemein ziemlich stark vorherrschende Bild der Einweihung ein wenig weiten.

Oft stellt man sich unter einer Einweihung harte Prüfungen unter vermeintlicher oder realer Lebensgefahr vor. Vielleicht hat man auch schon von dem Ritual im Innern einer Pyramide gehört, wo der Einzuweihende drei Tage und Nächte im Sarkophag eingeschlossen wurde und durch einen todesähnlichen Schlaf im Reich der Toten in der Unterwelt weilte. Solche und ähnliche Dinge werden, wenn überhaupt, nur sehr rätselhaft und verschleiert in manchen Tempeln und Grabstätten angedeutet – also reichlich Stoff für Interpretationen. Aber niemand kann exakt sagen in welchem Rahmen, zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Personen solche Dinge denn stattgefunden haben sollten.

Im Versuch dem Begriff der Einweihung etwas näher zu kommen gehe ich vom Pharao aus. Dieser wird nämlich ganz eindeutig als Wissender in Dingen des Lebens nach dem Tod beschrieben. Dadurch stand er auf Augenhöhe mit den Göttern, denn er kennt ihre Welt und kann sie sehen. Auch ist der Pharao des öfteren so dargestellt, dass er Arm in Arm mit einer Göttergestalt ist. Sie stehen in einer sehr vertrauten und intimen Beziehung zueinander (im Sinne von gut kennen, verstehen). Zudem sind durch lange Zeiträume hindurch nur in den Pharaonengräbern Erlebnisse im Umgang mit Göttern und der Unterwelt dargestellt. In den Gräbern der Vornehmen und Künstlern findet sich davon beispielsweise nichts. Gekrönt wird der Pharao mit der Doppelkrone von Ober- und Unterägypten, die beide ein eigenes göttliches Wesen besitzen. In diesem Moment zieht auch der Geist des Horus in ihn ein. Außerdem bekommt er einen neuen Namen durch die Krönung, dessen erster Teil die Bedeutung von „Sohn des Re“ hatte. Ein direkter Verweis auf seine sehr enge und starke Bindung zu den Göttern.
All dies sind Hinweise darauf, dass sich eine starke Veränderung in der Persönlichkeit des Pharao vollzogen haben muss. Die Krönung ist sozusagen die abschließende Handlung seines Schulungsweges.

Wenn man die Götter jetzt als Wesenheiten von Kräften, Naturgesetzen, Universal-Gesetzen betrachtet, kann man sagen, dass die Person des Pharaos mit all diesen Gesetzen des Lebens und dadurch auch des Todes und dem, was danach kommt, vertraut war. Durch seine Schulung wurde er befähigt die Gesetze zu erkennen und tiefer in sie hineinzublicken, wodurch er den Lauf des Lebens verstehen konnte und den Sonnengott auf seiner Reise durch die Unterwelt in das Nachtodliche begleiten konnte.

Ich denke, aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist der Einweihungsweg im damaligen Sinne auf heute durchaus übertragbar. Ein erster Schritt in diese Richtung kann sicher Goethes Art der Naturbetrachtung sein (GA 6). Sie ermöglicht es, dass wir uns allmählich mit der Natur bekannt machen und in ihr lesen lernen. (Oft ließen sich die Pharaonen am Busen der Isis (der Mutter Natur) säugend darstellen) Mit der Zeit lernen wir heute dann die Zusammenhänge zu durchschauen, erkennen, wie alles miteinander verbunden und verwoben ist. Es wird Momente geben, in denen man fähig ist, einen Blick auf die „Arbeit der Götter“ zu erhaschen und sich angesichts der Vollkommenheit ihrer Werke, z.B einer Rosenblüte, zu verneigen.
Denn auch der Pharao wurde im Zuge seiner Fähigkeiten nicht etwa überheblich gegenüber den Göttern, sondern sah sich als Teil eines großen Ganzen an. Und seine Aufgabe war es, den Willen der Götter den Menschen zu vermitteln. Die Götter waren nicht fähig ohne seine Hilfe auf der Erde zu wirken, konnten aber ihren Willen dem Sehenden offenbaren. Der Pharao brauchte ihre Weisheit und Hilfe um Neues zu bewirken und die Last der Verantwortung, das Geschick eines ganzen Volkes zu leiten, tragen zu können. Durch sie konnte er die Gesetze der Welt erkennen und handelnd durchdringen. Im Pharao findet also eine schöpferische Verbindung von Geist und Materie statt. Den Dank der Menschen überbrachte der Pharao in Form von verschiedenen Opfergaben an die Götter. Dies wurde in vielen wunderschönen und detaillierten Bilder an Tempelwänden und Gräbern dargestellt. Diese Opferzeremonien konnten im ganzen Land stellvertretend für ihn die Priester in verschiedenen Tempeln vollziehen. Doch er war immer der höchste der Priester.

So gesehen denke ich, gibt es heutzutage eigentlich ziemlich viele „eingeweihte“ Menschen, in verschieden hohen Stufen. Sie unterscheiden sich voneinander dadurch, wie viel Geist, wie viel Ideen in ihnen lebendig sind, so dass sie daraus schöpferisch tätig werden können.  Die Einweihung wird jetzt nicht mehr in einem konzentrierten Akt erlangt, sonder kann das ganze Leben lang Stufe für Stufe erklimmt werden. Der Unterschied zu damals ist der, dass dieser Weg heutzutage für jedermann offen steht – nicht nur für Priester und Pharaonen. Denn die Menschheit hat sich entwickelt, so dass jeder das Potential zum Pharao in sich trägt und dessen Weg gehen kann. Jedem von uns steht also heute die Möglichkeit offen den Weg zur „Welt der Götter“ selbst zu betreten und des Menschen eigentlich göttliches Selbst zu entfalten, wenn wir denn gewillt sind uns zu schulen und mit Dankbarkeit und staunend der geistigen Welt entgegen treten können.

In jedem von uns steckt ein schöpferischer Mensch! Bringen wir ihn zur Entfaltung! =)