Ich kam mit 17 Jahren ans Jugendseminar und hatte das Gefühl, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein. Heute bin ich bin sehr dankbar dafür, dass ich schon so früh hier sein durfte und viele Menschen das Vertrauen in meine Entscheidung hatten. Es hat mir gezeigt, dass es immer einen Weg gibt, zu erreichen, was man erreichen möchte.
Normalerweise besteht das Jugendseminar aus drei Trimestern, in denen man mit ungefähr dreißig anderen jungen Menschen zusammen lebt und lernt. Nach meinem dritten Trimester hatten ich und manche meiner Freunde jedoch das Gefühl, noch nicht fertig zu sein. Wir waren noch nicht bereit, das Jugendseminar einfach hinter uns zu lassen und in die Welt zu gehen, um etwas Neues anzufangen.
von Annabell
Wir erhielten die Möglichkeit, ein viertes Trimester zu machen. Dazu überlegten wir, wie wir dieses einerseits zusammen, aber auch individuell gestalten könnten. Es ist schön, selbst entscheiden zu können, wann man mit einer Sache abschließen kann, oder ob man noch weiter daran arbeiten möchte. Am Jugendseminar hat man die Möglichkeit, in seinem eigenen Tempo zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
Selbst entscheiden, wann man mit einer Sache abschließt
Nach meinem vierten Trimester hatte ich mir vorgenommen, das Jugendseminar ein Stück weit hinter mir zu lassen und etwas Neues anzufangen. Es war Winter und ich hatte das Gefühl, meine Zeit noch bis zum Sommer frei gestalten zu können, um mir konkrete Gedanken über meine Zukunft zu machen.
Ich wollte Arbeitserfahrung sammeln und gleichzeitig frei lernen und mich weiter mit der Anthroposophie auseinandersetzen. Dazu hatte ich in meinem vierten Trimester verschiedene Projekte angefangen.
Neben den Projekten, die die Seminaristen des dritten Trimesters zusammen entwickeln, entsteht zurzeit auch ein kleines „Catering-Unternehmen“. Wie viele Projekte fing alles in einem kleinen Rahmen an. Ab und zu wurden einige Seminaristen gefragt, ob sie verschiedene Veranstaltungen im Jugendseminar und im Rudolf Steiner Haus mit Pausenverpflegungen unterstützen wollen. Es war eine schöne Zeit. Wir kochten zusammen, bereiteten alles vor, lernten nette Menschen kennen und verdienten uns ein bisschen Geld.
Ein Raum, Verantwortung zu übernehmen
Nach einiger Zeit kamen immer mehr Anfragen und eine kleine Gruppe von uns führte diese Arbeit fort. Schnell merken wir, dass wir alles ein bisschen besser organisieren müssen.
Ich übernahm die Verantwortung und war ständig mit den Veranstaltern im Kontakt, organisierte alles von den Finanzen bis zum Einkauf und suchte mir Seminaristen, die mich dabei unterstützten.
Nach einiger Zeit merkte ich, dass ich nicht vollkommen alleine die Verantwortung tragen kann und auch nicht möchte. Wir waren an dem Punkt gekommen, wo wir uns entscheiden mussten, ob wir aus unserem Catering- Team ein Unternehmen gründen wollen oder nicht. Für mich kam dieser Schritt nicht in Frage. Ich hatte sehr viel in dieser Zeit gelernt, doch dann merkte ich, dass ich dieses Projekt langsam in den Hintergrund schieben muss.
Auf der anderen Seite setzte ich mich sehr dafür ein, dass dieses Projekt weiter läuft und bringe auch heute noch meine Unterstützung mit ein, wo sie gebraucht wird.
Die Idee von diesem Projekt ist, dass wir einen Raum für Jugendseminaristen schaffen, indem sie einerseits lernen Verantwortung zu übernehmen und selbständig unternehmerisch tätig werden können und auf der anderen Seite eine finanzielle Unterstützung für die Seminaristen gegeben ist.
Eine zweite Aufgabe die ich angefangen hatte war, Stiftungen zu suchen und zu kontaktieren, welche das Jugendseminar unterstützen können.
Zuerst dachte, dass so viel Arbeit im Internet nicht meine Sache sein wird. Doch dann dachte ich, die Telefongespräche, um Kontakt zu der jeweiligen Stiftung herzustellen, würden mir sicher nach und nach Sicherheit und Standhaftigkeit lehren. Und ich würden den Umgang mit Finanzen kennenlernen. So kam es, dass ich mich dafür entschied, diese Aufgabe zu übernehmen.
Es ist ein Projekt, in dem ich selber lerne mir die Zeit so aufzuteilen, dass ich all das erreiche was ich mir vorgenommen habe. Auch hier ist die Idee dahinter, dass junge Seminaristen lernen in der Geschäftswelt mit den Finanzen, Buchhaltung, etc. umgehen zu können.
Lernen, zu erreichen, was wir uns vornehmen
Ein zusätzlich neuer Bereich eröffnete sich mir durch das Fechten, welches auf unseren Wunsch hin von unserem Dozenten Max Strecker im vieren Trimester angeboten wurde.
Ich hätte nie gedacht, dass mir Fechten einmal so viel Spaß machen würde. Heute glaube ich, es ist nicht einmal das Fechten selbst, was mich so inspiriert, sondern die ganzen Feinheiten, welche dabei eine sehr große Rolle spielen: Vollkommen im Hier und Jetzt sein. Mit ganzer Aufmerksamkeit bei mir selber sein, bei meinem Gegenüber und in meiner Umgebung. Im Vorhinein wahrnehmen was auf mich zukommt. Zur Ruhe kommen. Meinen Mittelpunkt und mein Gleichgewicht finden. Ständig wach sein. Mit Überraschungen klar kommen. Aufrecht bleiben und lernen mich nicht zurück zu ziehen, sondern das zu erreichen was ich will und noch vieles mehr.
All das sind Fähigkeiten, die jeder Mensch in sich trägt. Er muss sie nur lernen hervorzubringen und sie richtig einzusetzen. Ich versuche dies nicht nur beim Fechten anzuwenden und aufmerksam zu lernen, sondern auch in meinem Alltag darauf zu achten wie ich mich verhalte und wie das Zusammenspiel mit anderen stattfindet.
Auch hier merke ich sehr oft, dass ich noch viel an mir arbeiten kann und möchte. Ich weiß, dass ich diesen Fragen nicht hätte gerecht werden können, wäre ich nicht am Jugendseminar geblieben.
Mut haben, Neues in die Welt zu tragen
Gerade das Jugendseminar ist so ein wichtiger Ort um sich selbst kennenzulernen, an sich selbst zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln.
Mit so vielen jungen Menschen zusammen zu leben gibt mir bis heute viel Kraft und man kann viel voneinander und miteinander lernen. Hier im Jugendseminar habe ich den Freiraum mich alleine mit Themen zu beschäftigen und mich mit anderen Seminaristen darüber auszutauschen.
Die Verbindungen die vom Jugendseminar aus in viele verschiedene Richtungen gehen (Tagungen, Vorträge, Veranstaltungen), geben mir die Möglichkeit daran teilzunehmen und danach die Kraft zu haben, eigene Projekte daraus zu entwickeln.
Durch meine intensive Zeit hier ist mir klar geworden, wie wichtig diese Umgebung für mich ist. Hier begegne ich vielen Menschen, die viel Kraft und Mut haben etwas Neues in die Welt zu tragen und gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Diese Kraft spüre ich auch in mir, weshalb dieser Ort mir so am Herzen liegt.