Warum bin ich, wie ich bin? Will ich wirklich diesen Beruf ergreifen, oder wollen das eigentlich nur meine Eltern? Wie treffe ich Entscheidungen? Im Freien Jugendseminar geht es um die ganz großen Fragen für junge Menschen. Dabei spielt auch Anthroposophie eine Rolle.
von Niklas (Deutschland)
Das Körper und Geist gemeinsam und im Einklang entwickelt werden, spielt im Freien Jugendseminar eine große Rolle. Neben Bothmer-Gymnastik, Eurythmie und Sprachgestaltung steht deshalb auch Anthroposophie auf dem Stundenplan. Mit unserem Seminarleiter Marco Bindelli lesen wir gemeinsam regelmäßig in Rudolf Steiners „Theosophie“. Wir versuchen uns anhand des Buches, ein grundlegendes Verständnis für das, was Steiner wollte, zu erarbeiten. Wer mag, kann zusätzlich auch noch an zwei Lesekreisen teilnehmen. Hier geht es unter anderem um die „Philosophie der Freiheit“, über die man dann intensiver gemeinsam diskutieren kann.
Ich finde es toll, dass es bei diesen Angeboten nie um Auswendiglernen geht, sondern darum, die Ideen, die Steiner vor 100 Jahren entwickelte, selbständig nachzuvollziehen. Wir versuchen immer, sie auf unser eigenes Leben anzuwenden. Gerade dadurch werden die heute für viele schwer verständlichen Texte lebendig und verständlich.
Ich glaube, jeder junge Mensch hier im Seminar bringt eine „Tasche“ mit, welche seit seiner Geburt mit Meinungen, Gewohnheiten und Prägungen gefüllt wurde. Durch Lesekreise wie diese und der Arbeit an sich selbst, die dann beginnt, lernen wir, auf unsere mitgebrachten „Taschen“ aufmerksam zu werden. Fragen wie: „Woher kommen meine Prägungen? Will ich wirklich diesen Beruf ergreifen oder wollen das nur meine Eltern für mich? Wann und wie treffe ich meine Entscheidungen? Wie kann ich anfangen, mein eigenes Leben zu leben?“ werden für mich durch Anthroposophie aufgeworfen. Mir fällt es so leichter, mit ihnen umzugehen.
Auf mich selbst aufmerksam werden
Für mich bietet gerade Anthroposophie Möglichkeiten, auf mich selbst aufmerksamer zu werden und anzufangen, den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu beschreiten.
Momentan stellt sich mir zum Beispiel die Frage nach dem „Wie“ meiner Beschäftigung mit Anthroposophie: Ist sie so eine Sache, die man einfach glauben muss und die dadurch schnell zum Dogma wird, oder kann man versuchen, das, worum es Steiner ging, auch selbst erleben, so dass Anthroposophie auch etwas mit meinem Leben zu tun hat?
Im Freien Jugendseminar kommt jede Woche ein neuer Dozent, um den gemeinsamen Morgenkurs anzubieten. Die Themen dieser Kurse reichen von Medienkompetenz über Kunstgeschichte bis zu Fragen nach dem Weg zu einer sozialeren Wirtschaft, der Frage nach dem eigenen Schicksal und was dieses mit der persönlichen Gesundheit zu tun hat.
Gerade diese Dozenten zeigen uns immer wieder, dass man seine Ideale nicht über Bord werfen muss, wenn man in das Berufsleben eintritt. Sie helfen einem, den Job zu einem wirklichen Beruf zu machen – denn in dem Wort Beruf steckt ja schließlich das Wort Berufung. Sie zeigen Woche für Woche, dass der Ausspruch, den Michaela Glöckler bei unserem Besuch in Dornach gemacht hat – „Wenn man sich mit Anthroposophie beschäftigt, wird man nicht nur interessierter an der Welt, sondern man wird auch interessanter für andere Menschen“ – richtig ist, wenn man Anthroposophie an und mit anderen Menschen erlebt.