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Mit Sprache in die Welt lauschen

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In meinem 1. und 2. Trimester am Seminar konnte ich eine tolle Erfahrung machen: Ich habe beobachtet, wie mich der Versuch, die sprachgestalterischen Übungen, die wir hier gemeinsam machen, Stück für Stück etwas wacher gemacht hat – und mich immer noch verändert.

Von Yujin aus Japan

Portrait-yujin

Im ersten Trimester ist es mir schwer gefallen zu verstehen, was ich in der Sprachgestaltung eigentlich lernen soll. Das ist ein Kurs, den wir hier jede Woche haben, und in dem wir uns mit der Sprache und ihrer künstlerischen Aussprache beschäftigen.

Ganz am Anfang hatten wir die Vokale geübt. Mit der Zeit kamen auch Konsonanten dazu. Wir stehen dann im Kreis und üben zehn Minuten lang, das „A“ zu sprechen und durch unsere Körper auszudrücken. Gleichzeitig halten wir dabei unsere Knie angewinkelt, damit wir die Laute auch wirklich spüren.

Viele Seminaristen und ich auch konnten sich damals nur schwer konzentrieren, um mit vollem Bewusstsein die Übung zu machen. Man schaut ganz automatisch immer mal auf die Uhr. Jetzt ist das nicht mehr so. Irgendwann merkt man: wie viele Minuten es dauert, ist nicht so wichtig.

Anfangs habe ich mich mit skeptischen Gefühlen auch gefragt: „Warum machen wir das ?“. Endlich schafften wir es dann, die eigenen Gedanken während unserer Übungen wirklich loszulassen. Allmählich versuchten wir, wirklich gemeinsam einen Raum zu bilden. Am Ende trafen sich unsere Stimmen „hier!“ an diesem Punkt im Raum – und auch in unserem ganz persönlichen „Innenraum“.

Manchmal sprechen wir dann in der Gruppe auch noch über die Fragen, die uns im Zusammenhang mit der Übung durch den Kopf gehen: „Warum benennen wir „blau“ eben mit dem Wort „blau“ und nicht „rot“? Warum ist der Himmel eigentlich blau?“. Darauf gibt es natürlich eine wissenschaftliche Antwort, aber uns interessant mehr, was das für die Sprache, die wir verwenden, bedeutet.

Als die Abschlusswoche kam, hatte das 3. Trimester die Aufführung ihres künstlerischen Abschlussprojektes zu bewältigen. Dieses Theaterprojekt habe ich auf dem Klavier begleitet. Dabei ist mir klar geworden, dass ich, wenn es so weit ist, in der Sprachgestaltung auch so etwas machen möchte und den Prozess ein Stück mit meinen Freunden gemeinsam einzustudieren möchte.

Im 2. Trimester wurde die vorher beschriebene Übung durch „E“ erweitert. Das Gefühl, das in mir beim sprechen entstand, war ein ganz anderes als zuvor beim Buchstaben „A“. Bei diesem fühlte ich mich so: „Ich lerne mit der Welt zu atmen“. Aber beim „E“ hatte ich den Eindruck, dass ich eher mich selbst stärken, meinen eigenen Raum gegenüber dem Rest der Welt schützen würde. Am Ende sammelten wir wieder unsere Gedanken: „A“ meint Weltwahrnehmung mit den Sinnen, wie ein großes Staunen. „E“ hingegen ist der Wille in mir selbst.

Wenn wir Sprache bewusst benutzen, lernen wir zu lauschen. Als Ausländer nimmt man das besonders deutlich wahr. Dann ist es auch essenziell, um zum Beispiel in die deutsche Sprache hineinzukommen. Wenn wir aus diesem Gefühl heraus auch denken, fangen unterbewusst kleine und große Gedanken an, wie geistige Wesen in uns zu leben.

Ich freue mich immer, wenn meine Freunde genauso „lauschen“. Sie warten immer geduldig ab und hören wirklich zu, um zu verstehen, was ich sagen will. So lerne ich, in das Dunkle der Welt zu lauschen, bis die Sterne in meinem Herzen anfangen zu leuchten.