Krankenhaus ist der falsche Name, es sollte Gesundheitshaus heißen. Und falls ich mal wieder in eines muss, hoffe ich, dass ich hierher gebracht werde, denn dann, glaube ich, komme ich in gute, zugewandte Hände von Menschen, die ein ganz anderes Verständnis von Medizin und Gesundheit haben.
von Antonia aus Deutschland
„Oh nein, bitte nicht schon wieder ein Krankenhaus!“ war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich erfuhr, dass wir im Rahmen unserer Berufsorientierungswoche am Freien Jugendseminar die Filderklinik besuchen würden. Vor wenigen Tagen erst war ich in einem städtischen Krankenhaus gewesen um eine Mitseminaristin zu besuchen. Damit war mein Bedürfnis an langen, engen, dunklen, nach Desinfektions- und Putzmitteln riechenden Fluren erst einmal gedeckt. Aber es sollte anders kommen.
Die Anreise zur Filderklinik zieht sich. Wir kommen verspätet an und ich will am liebsten im Bus sitzenbleiben. Aber kaum, dass ich die Klinik betrete, ist mir, als hätten wir uns in der Adresse vertan. Ein heller, farbiger, warmer, relativ geräumiger, mit vielen Pflanzen dekorierter Empfangsraum – wirklich geschmackvoll, dass Gegenteil meiner Erwartung. Der Kinderarzt Dr. David Martin erwartet uns bereits.
Wir folgen ihm ganz nach oben in den Novalisraum (Versammlungsraum), setzen uns in einen Kreis und Dr. Martin gibt uns eine grundlegende Einführung in den Klinikbetrieb. Dann fragt er uns unvermittelt, welche Erfahrungen wir denn bereits mit Krankenhäusern gemacht hätten, was uns wichtig wäre, was wir ändern würden, wenn wir könnten. Während ich überlege, drängt sich mir eine andere Frage auf: Ob den Besuchern in dem städtischen Krankenhaus wohl auch solche Fragen gestellt werden?
Während wir auf den Weg zur Geburtsstation machen, will mir jetzt partout keine Antwort einfallen. Aber ich denke mir, warum liegt eigentlich meine Mitseminaristin dort und nicht hier?
Technik bestimmt nicht das Leben, sondern bleibt im Hintergrund
In der Zwischenzeit hat Dr. Schütt Dr. Martin abgelöst, der uns von den verschiedenen Möglichkeiten berichtet, wie hier Frauen ihre Kinder zu Welt bringen können. Das reicht quasi vom üblichen Standard (liegend im Bett) bis zu „in den Seilen hängend“, was wir auch gleich mal selbst testen dürfen. Der Raum, in dem wir diese erstaunlichen „Gebährhilfskonstruktionen“ ausprobieren, hat allerdings wie schon der Empfangsbereich nichts von einem typischen Krankenhausraum, einem Labor oder Kreißsaal. „Wohnzimmer“ scheint mir die richtige Bezeichnung. Aber dann zeigt uns der Doktor, dass sich dieses Zimmer erstaunlich schnell in einen OP-Saal verwandeln lässt. Es ist unglaublich, was es an technischen Möglichkeiten gibt. Daran begeisterte mich besonders, dass diese Technik nicht das „Bild“ bestimmt, sondern im Hintergrund versteckt ist.
Als wäre das zu viel Positives, werden uns nun alle Flausen, die wir vielleicht je über das Arztsein im Kopf gehabt haben könnten, schlagartig genommen. Dr. Schütt zählt kurz auf, was man so mitbringen muss, sollte etwa einer von uns den Berufswunsch Arzt haben: Man braucht ein sehr gutes Gedächtnis, die Fähigkeit Zusammenhänge schnell zu erfassen, muss äußerst belastbar sein, immer auf Abruf und auch längere Zeit ohne Schlaf konzentriert arbeiten können… – Wie gut, dass ich nie diesen Berufswunsch hatte, sonst würde ich ihn jetzt an Ort und Stelle begraben müssen.
Nach dieser Ernüchterung geht es in die Therapieräume für Eurythmie, Kunsttherapie usw., aber ich bin kaum noch aufnahmefähig und nur glücklich, dass wir gleich darauf bei gutem Essen über das Erlebte austauschen können.
Selbst der Aufbahrungsraum wirkt freundlich, fast einladend
Zum Abschluss geht es noch nach unten, ins Parterre, zu den Aufbahrungsräumen. Das ist ein Ort, den ich lieber meiden würde, weil mir das Thema Tod immer sehr nahe geht und weil die drei Orte dieser Art, die ich bisher besuchen musste, immer nur kalt und abstoßend erschienen sind. Aber dieser hier wirkt, wie alles, was ich von der Filderklinik zu Gesicht bekomme, so komisch das in Bezug zu einer Aussegnungshalle klingen mag, fast einladend.
An einem Ort wie diesem geht es vermutlich in jedem Krankenhaus eher ruhig zu. Was mir aber auffällt ist, dass an keiner Stelle, in keinem Flur Hektik herrschte, obgleich auch hier alle Mitarbeiter sehr beschäftigt wirken.
Mir ist zum Abschluss deutlich geworden, dass die Filderklinik besser Gesundheitshaus als Krankenhaus heißen sollte. Die Mitarbeiter hier pflegen ganz offensichtlich ein viel entgegenkommenderes und warmherzigeres Verständnis von Gesundheit, Krankheit und der nötigen Behandlung. Und falls ich mal wieder in eines muss, hoffe ich, dass ich hierher gebracht werde, denn dann, so glaube ich zu wissen, komme ich in gute, wohlwollende, zugewandte Hände, wo sich die Mitarbeiter Zeit nehmen, was ja bekanntlich die beste Medizin ist.