Am Ende jeder Ferienzeit schleicht sich stets das neue Trimester mit gemischten Gefühlen in meine Gedanken. Vorfreude auf das Wiedersehen mit den Freunden und Dozenten, auf neues Arbeiten und Entdecken in den Kursen, außerdem ein bisschen Wehmut stellen sich ein. Mein kommendes Trimester wird aufregend, denn ein großes Abschlussprojekt wartet darauf, entwickelt zu werden.
von Sophie Müller
Ein solches Projekt „blüht“ jedem 3. Trimester. Doch bevor etwas blühen kann, muss ein Same gesät und das Pflänzlein gepflegt werden.
In unserem Projekt geht um unsere Themen. Themen, die uns im Leben nach seinem Sinn suchen lassen, es geht um Träume, um Empfindungen und Erfahrungen, die wir erlebt und womöglich nicht verarbeitet haben. Unser Projekts soll uns zu einer Gegenüberstellung mit unseren Schmerzpunkten auffordern, dazu, einen Umgang mit ihnen zu lernen und dabei vielleicht den ein oder anderen Knoten spielerisch zu lösen.
Uns war der Umfang unserer Projektarbeit zu Anfang gar nicht so genau bewusst. Uns regelmäßig zu treffen, war die erste Vereinbarung, die wir trafen. Um nicht mit ganz leeren Händen zu beginnen war jeder für sich aufgefordert worden, nach den Themen zu suchen, die für ihn oder sie besondere Wichtigkeit besitzen. Doch weil die sich meist fernab unseres Alltagsbewusstseins bewegen, sind sie oft schwer zu greifen, geschweige denn zu formulieren.
Zu viel Freiheit macht unfrei
So begannen wir unsere gemeinsame Arbeit damit, eine Collage zu gestalten. Aus notierten, skizzierten und gemalten Gedanken entstand so ein buntes Bild, das unsere Stimmung gut wiederzugeben vermochte: emotional, inhaltsschwer und im Zusammenhang noch sehr unstimmig.
Mit der Entscheidung gegen die Inszenierung eines fertigen Theaterstücks freute sich die Schöpferkraft in uns über ihre Entfaltungsmöglichkeit. Doch ihr notwendiger Begleiter, die Eigenverantwortung, beschwerte uns zugleich mit einer Last, die uns bald überforderte. Wie schon so manches Mal erlebt, macht viel Freiheit unglücklicherweise doch manchmal ziemlich unfrei.
Die große Aufgabe für uns bestand nun darin, den unsichtbaren roten Faden auf dem Bild unserer Stimmungen zu entdecken und künstlerisch zu entwickeln. Um einen Rahmen zu schaffen, einigten wir uns darauf, „Träume“ zu unserem Leitmotiv zu machen. So vergingen die ersten zwei Monate, in denen wir täglich zusammenkamen und versuchten, die Ergebnisse unserer individuellen Arbeit zu teilen. Jidu Pasqualinit, einer unserer Dozenten, der uns von Beginn an unterstützend zu Seite stand, brachte außerdem verschiedene Texte und Gedichte mit ein, die zur Grundlage unserer Arbeit wurden. Um uns ein bisschen weg vom Kopf und rein in unsere Gliedmaßen zu bringen, halfen uns Improvisationsspiele und auch für unsere verletzte Gruppen-Harmonie wirkte das gemeinsame Aktiv-Werden heilend.
Ich wollte tanzen
Ich wollte tanzen, das war mir von Beginn an klar. Einem Herzens-Thema in tänzerischer Form Ausdruck verleihen – das war schon ein kleiner Traum für mich.
So fanden sich kleine Gruppen zusammen, die gemeinsam an ihren Anliegen arbeiteten. Für Klara und mich begann die Arbeit mit vielen Gesprächen. Es tat gut, sich auf einer Verständnisebene zu treffen und Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Schmerzpunkte zu finden. Uns ging es um Beziehung zwischen zwei Menschen, die Kunst des Balancierens zwischen Tragen und Sichtragenlassen. Was für eine Verantwortung gehe ich ein, wenn wir uns berühren? Wie viel darf ich dir zumuten und wo muss ich mich vor dem Verlorengehen schützen?
Bedeuten Träume nicht immer etwas, das im Augenblick scheinbar unerreichbar ist? Doch liegt in uns nicht ihre Wahrheit, ihre Realität, wenn wir sie träumen können?
Wir begannen unsere eigentliche Arbeit mit gemeinsamen Übungen: Musik füllt warm den großen Raum und wir beginnen, uns mit geschlossenen Augen zu bewegen. Den anderen wahrnehmend nähern wir uns und eröffnen das Spiel: ich lasse mich fallen, sie nimmt mein Gewicht auf, hält kurz inne, gibt dann einen eigenen Impuls und wir tauschen die Rollen.
Aus dieser lebendigen Beziehung entwickelten wir eine Geschichte, die sich in den Gesamtzusammenhang unseres Projektes eingliederte.
Erst zwei Wochen vor dem Abschluss stand das Grundgerüst des Projekts und forderte von uns jetzt intensive, lange Proben. Raum für Zweifel wurde nicht gewährt.
Dann war es Zeit für unser Projekt: „Spring und träum’ dir Flügel“! Innerlich ganz kurz vorm Überlaufen, so habe ich mich empfunden. Ich empfand eine große Lebendigkeit und ungewohnte Zuversicht für die Zukunft.
Die Entwicklung des Stückes war mit so viel Erwartung, Angst und Frustration verbunden, aber wahrscheinlich genau deshalb am Schluss so lehrreich und unglaublich lohnenswert gewesen. In meinem Herzen wird es mir immer in lebendiger Erinnerung bleiben.