Von Leonie //
Im Alltag treffen wir mannigfaltige Entscheidungen. Sie sind ein großer Bestandteil unseres Lebens geworden. Wir können diesen Entscheidungen nicht entkommen und müssen uns ihnen immer wieder aufs Neue stellen. Manch eine Entscheidung mag nichtig erscheinen, andere wiederum sind zukunftsbestimmend. Doch woher wissen wir, ob wir die richtige Entscheidung treffen oder nicht?
Die Hochschulrektorenkonferenz hat 16.634 unterschiedliche Studiengänge gezählt. Für jemanden, der studieren will, ist dies ein überdimensionales Angebot an Möglichkeiten. Und wenn ich mich einmal entschlossen habe, Wirtschaft zu studieren, habe ich weiterhin eine vielfältige Auswahl an Schwerpunkten und stehe fortwährend vor dem „Problem“, mich entscheiden zu müssen. Es gibt Wirtschaftsstudiengänge mit unterschiedlichen Schwerpunkten, wie Internationale Betriebswirtschaft und Management von Non-Profitable-Organisations. Oder soll es doch lieber der Bachelor of Arts in Business Administration mit Schwerpunkt Qualitätsmanagement sein?
Der Perfekte Studiengang
Es genügt nicht zu sagen, ich möchte BWL studieren, denn die Auswahl ist zu groß. Die Universitäten wollen ein vielfältiges Angebot. Diversität ist heutzutage Mode. Bei diesem überreichen Angebot muss es doch den Studiengang geben, der perfekt auf mich zugeschnitten ist, oder? Ein Studiengang, der all meinen Ansprüchen entspricht. Aber warum gibt es dann trotz des immensen Bildungsangebotes an deutschen Universitäten eine Abbrecherquote von 40%?
In dem Buch „Anleitung zur Unzufriedenheit“ beschreibt Barry Schwartz sehr treffend, wie mit der Anzahl der Optionen auch der Anspruch wächst und damit die Enttäuschung, wenn mein Studiengang nicht meinen Vorstellungen entspricht. So sind wir also unzufrieden, weil wir andauernd und sehnsüchtig das „Perfekte“ suchen.
Falsche Entscheidungen
Nun stellen Sie sich vor, Sie treffen tagtäglich Entscheidungen und jede Ihrer Entscheidungen fühlt sich falsch an und bringt nicht das, was Sie erhofft haben.
Stellen Sie sich vor, Sie sind beim Einkaufen im Supermarkt und brauchen Honig. Aber nein, es gibt nicht einfach einen Honig, es gibt ein ganzes Regal voller Honig. Das Angebot reicht von edel bis super günstig. Völlig überfordert stehen Sie vor dem Regal und fragen sich: welcher Honig hat das beste Preisleistungsverhältnis, welcher könnte am besten zum Müsli passen, welcher schmeckt meinem Partner und welcher meine Kindern? Völlig überfordert von der riesigen Auswahl entscheiden Sie sich für das „Golden Flakes“ Müsli, den mit Honig ummantelten „Kellogs“ von Nestlé. Das ist der Kompromiss – das Müsli, in dem der Honig schon drin ist. Sie bezahlen und noch bevor Sie Zuhause sind, wissen Sie, dass diese Entscheidung irgendwie nicht richtig war. Sie wissen, dass Ihr Partner Ihnen Zuhause erklären wird, dass diese „Kellogs“ nicht gesund sind und damit nicht genug: Er wird Ihnen endlose Argumente bringen, warum man diesen verrückten Riesenkonzern Nestlé nicht unterstützen sollte und plötzlich fällt Ihnen ein, dass Sie den Honig ja für den Tee und nicht für das Müsli wollten. Ernüchtert schließen Sie die Haustür auf und gehen völlig unglücklich ins Bett.
Die Welt ist voll von unglücklichen Entscheidungs-Szenarien. Es ist deutlich, dass dieser Entscheidungsirrtum letztendlich zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führen kann.
Überwiegt das Gefühl der Ohnmacht das des Handlungsbedürfnisses, tritt an die Stelle der Entscheidungsfreiheit ein Gefühl der Überforderung. In solchen Momenten würde man sich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen. Aufgrund des Gefühls der Machtlosigkeit als einer Folge des Entscheidungswahnsinns versuchen wir dem Treffen von Entscheidungen zu entgehen. Auch, um uns der Verantwortung und den Konsequenzen zu entziehen, die aus einer Entscheidung resultieren. Können Sie sich vorstellen, dass sich jemand, der nie zufrieden mit seinen Entscheidungen ist, Hilfe sucht? Einen Menschen womöglich, welcher scheinbar einfache Lösungen aufzeigen kann? Vielleicht möchte man gar keine Verantwortung mehr übernehmen müssen, sondern schließt sich diesem Menschen an, in dem Vertrauen, dass dieser die Probleme schon klären wird. Natürlich sind wir, wenn wir völlig verunsichert sind, leicht zu manipulieren und durch populistische Propaganda leicht zu beeinflussen.
Entscheidungsfähig werden
Aber um handlungs- und damit lebensfähig zu sein, müssen wir lernen, Entscheidungen zu treffen. Wir müssen auch lernen, die Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen, die aus diesen Entscheidungen resultieren. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst machen, wie wir unsere zukünftige Welt gestalten wollen. Es ist essentiell, dass wir lernen, für uns selbst und für unser Handeln Verantwortung zu übernehmen und dies nicht anderen zu überlassen. Genauso ist es wichtig, dass wir bereit sind, Entscheidungen zu treffen und damit die Zukunft – und sei es nur unser kleines Stück – dem an zu nähern, was wir uns für ein menschenwürdiges Zusammenleben wünschen.
Wir müssen uns dazu entschließen, entscheidungsfähig zu werden. Und unsere Persönlichkeit dahin entwickeln, dass wir bewusster leben. Wirklich frei ist nur der, der die Entscheidungen, die ihm niemand abnehmen kann, selber trifft. Im Jugendseminar wird uns allmählich bewusst, dass uns unsere Zeit nicht ohne Grund vor diese Herausforderung stellt. Jede Entscheidung braucht Mut, denn sie bewegt sich immer abwägend zwischen den Risiken und Chancen, der Angst und der Tollkühnheit. Sie fordert unsere Besonnenheit und damit das individuelle Denken heraus. Nach jeder gelungenen Entscheidung wächst unser Ich. Aus jedem Scheitern können wir etwas Wichtiges lernen.
Es gilt eine ständige Balance zwischen dem, was mir für mein Leben wirklich wichtig ist, und den momentanen Möglichkeiten zu finden. Kann ich meinen Idealen treu bleiben, ohne das Absolute jetzt haben zu wollen, und finde ich den angemessenen Kompromiss?
Hier bleibt nur ein ständiges Weiter-Üben!