von Marlene //
Eine sehr besondere Woche, auf die wir uns nach begeisterten Erzählungen von ehemaligen Seminaristen schon lange im Voraus gefreut haben, war der Kurs von Dr. Michaela Glöckler zu dem Thema „Krankheit und Schicksal“.
Ihr Vater Helmut von Kügelgen hat das Seminar an Ostern 1964 mitbegründet, daher ist Michaela Glöckler auch auf eine besondere Weise mit diesem Ort verbunden.
Sie hat nach ihrem Medizinstudium in Tübingen und Marburg in der Kinderheilkunde gearbeitet, bevor sie 1988 die Leitung der Medizinischen Sektion am Goetheanum übernommen hat.
Während dieser Zeit ist sie sehr viel gereist und hat in vielen Ländern und auf allen Kontinenten Kurse und Vorträge über anthroposophische Medizin gehalten.
Im September 2016 hat sie nun die Leitung weitergegeben, ist aber immer noch mit Herz und Seele ihrer Arbeit verbunden geblieben und weiterhin sehr engagiert im Bereich der anthroposophischen Medizin und mit Vortragstätigkeiten.
Den eigenen Weg finden
In einem kurzen Interview, dass ich mit Dr. Michaela Glöckler in der Morgenpause bei Kaffee und zweitem Frühstück führen durfte, hat sie besonders eindrücklich aus ihrer eigenen Jugendzeit und der daraus entstandenen Motivation erzählt, nun im Erwachsenenalter mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu dürfen.
Ihre eigene Jugend zwischen 14 und 25 Jahren – von der- Pubertät bis zu Ihrem Entschluss Medizin zu studieren – empfand sie verbunden mit vielen Lebens- und Sinnfragen und Krisenzeiten als eine schwere und bewegte Zeit. Es brauchte eine lange Orientierungsphase und es mussten viele wichtige Entscheidungen gefällt werden, um ihren richtigen Platz im Leben zu finden.
Daher kann sie nun gut nachempfinden, was in uns vorgeht, welche Fragen uns bewegen und hofft uns durch den Morgenkurs „Krankheit und Schicksal“ auf unserem Weg unterstützen und weiterhelfen zu können.
Ausbildung zur Waldorflehrerin
Michaela Glöckler ist 1946 in Stuttgart geboren und aufgewachsen und besuchte dort die Freie Waldorfschule. Mit ihren fünf Geschwistern verbrachte sie eine glückliche Kindheit und lernte die Anthroposophie von klein auf durch ihre Eltern kennen. Sie hatte aber durch das Erleben der Nachkriegszeit viele Fragen – insbesondere nach dem Bösen im Menschen. Im Alter von 16 Jahren fand sie erstmals darauf eine Antwort durch Lesen des Vortrags von Rudolf Steiner: „Christus und die widerstrebenden Mächte – Luzifer, Ahriman, Asuras“. Nach dem Abitur nahm sie Schauspielunterricht und entschloss sich dann aber nach erfolgreich bestandener Zwischenprüfung doch an die Universität zu gehen und für den Lehrerberuf Germanistik, Geschichte, Philosophie und katholische Theologie zu studieren. Der Grund dafür waren Erlebnisse auf einer langen Italienreise, wo sie in Neapel erstmals das „soziale Elend der Menschheit“ sah und wusste: in dieser Welt kannst du nicht einfach Theater spielen – du musst dich sozial engagieren. Dabei wollte sie auch heraus finden, ob die Anthroposophie wirklich ihr Weg ist oder vielleicht doch ein anderer. Als dies klar zu Gunsten der Anthroposophie entschieden war, stand auch der Entschluss fest, Waldorflehrer zu werden und im Rahmen des Deutsch-Unterrichts Theaterstücke einzustudieren. Dies hat sie dann schon während der Semesterferien immer wieder im 8. und 12. Schuljahr an der Stuttgarter Freien Waldorfschule Uhlandshöhe getan. Dabei erlebte sie, wie sehr sich die Schüler durch die künstlerische Arbeit veränderten.
Medizinstudium in Tübingen
Ihr Interesse am Menschen und der Wunsch ihn als Ganzes in seiner Entwicklungsfähigkeit und Beeinflussbarkeit zu verstehen, bewog sie, nach Abschluss des ersten Studiums in den Fächern Germanistik und Geschichte, zum Medizin Studium. Der mutige Schritt im Alter von 25 Jahren ein weiteres mal zu studieren, forderte einen starken Entschluss, doch die Entscheidung hat sie bis heute nicht bereut.
Mit unglaublicher Begeisterung hat Dr. Michaela Glöckler von ihrem Medizinstudium in Tübingen, als eine ihrer schönsten Zeiten erzählt.
Dadurch, dass sie die Anthroposophie schon sehr gut durch eigenes Studium und viele Arbeitskreise kannte, fiel es ihr
nicht schwer den Menschen aus Zahlen und Fakten, wie ihn die Naturwissenschaft lehrt, in einen größeren Zusammenhang einzuordnen und zu verstehen. Im Gegenteil, die Naturwissenschaft bildete eine gute Balance zum Spirituellen.
Ihr Weg zum Beruf als Kinder- und Wahldorfschulärztin verlief also nicht gerade und in einem Durchmarsch. Ihr Mut zum Ausprobieren, sich Zeit zu nehmen und Entscheidungen zu treffen, wurde später durch ihre Freude an ihrer Tätigkeit in der Medizin belohnt.
Das Erwachsensein, empfindet sie als viel leichter als das Jungsein. Sie freut sich daher, ihre Erfahrungen mit der jüngeren Generation teilen zu können und Mut zu machen. Sie kommt jedes Jahr immer wieder gerne in das Jugendseminar und erlebt die Gruppe dabei immer ganz verschieden. Dies sei ganz von den Teilnehmern und besonders von deren Kulturen abhängig.
Was uns allen aber gemein sei, sind dieselben ähnlichen Fragen, die wir mitbringen, und die Qualität zur Offenheit
und Empathie, als auch das Potenzial zur Kritik.
Spannend sei für sie auch immer die Entwicklung des Kurses während der Woche bezüglich des Themas, aber auch unserer eigenen Haltung.
Das Leben gestalten
Unsere Vorfreude auf diesen Kurs hat sich voll und ganz bestätigt. Michaela Glöckler hat uns durch die differenzierte Betrachtung des Schicksalsbegriffs eine neue Welt geöffnet, in der wir die Krankheit als eine Art Wecker einordnen gelernt haben, der uns für das Gute aufwecken möchte. Wer das Schicksal bejaht, hat die Möglichkeit sein Leben selbst zu gestalten und seine eigene Individualität zu finden. Die Quintessenz: Schicksal und Krankheit sind zum Lernen da und wollen Heilung und Bewusstsein fördern.
Diese Woche hat viel in uns bewegt und es war schön zu sehen, wie interessiert und offen Frau Glöckler war, indem sie den Unterricht als ein großes Gespräch gestaltet hat, wo viel Platz für Fragen und für einen Austausch möglich gewesen ist.
Ihr Enthusiasmus und ihre zugleich tiefe Besonnenheit hat eine wohltuende und besondere Atmosphäre geschaffen und wir haben mit Spannung ihren eigenen Erlebnissen und Geschichten gelauscht.
Ein riesiges Dankeschön von uns allen für diese besondere Woche!