Von Sophie //
„Das Wort ist Träger für einen Gedanken. Voraussetzung für Sprache ist das Denken“, sagte Jidu, unser Dozent für Sprachgestaltung in der ersten Stunde. Das fand ich sehr einleuchtend. Besonders viele Gedanken über Sprache, hatte ich mir, bis zur ersten Stunde Sprachgestaltung am Jugendseminar, wenig gemacht.
Ich war der Sprachgestaltung gegenüber erstmal skeptisch eingestellt…
…und wurde gleich in der ersten Stunde von Jidu überrumpelt und ein bisschen wachgerüttelt. Die Stunde fing ganz anders an, als ich es mir vorgestellt hat. Schon die erste Übung, wo wir uns gemeinsam in einem Kreis aufstellten und eine simple Bewegung im Kreis „weitergeben“ sollten, zeigte mir, wie unbewusst wir im Alltag doch sind. Selbst mit Konzentration fiel es mir schwer zu beschreiben, wie genau mein Vorgänger die vorangegangene Bewegung nun gemacht hatte. Wie hatte er den Kopf gedreht, wohin zeigten seine Finger? Als die Frage danach, was Sprache denn eigentlich ist, von Jidu in den Raum geworfen wurde und mir keine Antwort einfiel war der letzte Rest Skepsis an dem Fach Sprachgestaltung verschwunden.
Was genau ist denn nun Sprache?
Brauchen wir Sprache, um eine echte Begegnung zu erleben? Wie ist das mit unserer Stimme? Ist sie nur ein Mittel zum Zweck, damit wir sagen können, was wir haben wollen und wo wir hingehen? Gib es vielleicht eine Möglichkeit der Welt ein bisschen mehr von seinem inneren Ich zu zeigen? „Sprache ist immer auch eine Überwindung, weil man sich zeigen muss. Man zeigt sich mehr, als wenn man nur körperlich anwesend ist“, erzählt Jidu, was mir Soff zum Nachdenken bietet. Über diese Fragen und Jidus Aussage nachgedacht, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man tatsächlich unglaublich viel von sich zeigt, wenn man spricht. Durch das einüben eines Gedichtes, das sich jeder Seminarist im ersten Trimester selbst aussucht, ist mir auch bewusst geworden, wie viel Emotion man durch die Stimme vermittelt und wie eine kleine Nuance in der Stimme schon die komplette Stimmung und Aussage eines Satzes verändern kann. An den Gedichten meiner Mitseminaristen konnte ich erkennen, dass sich jeder ein zu ihm passendes Gedicht aussucht.
Sprachübungen in der Gruppe erlebe ich als sehr wertvoll.
Dadurch, dass man ein Gegenüber hat, erkennt man sehr schnell, dass es auch Mut kostet, sich mit seiner vollen Stimme zu zeigen. Fünf Minuten mit gebeugten Knien im Kreis zu stehen und dabei mit weit geöffnetem Mund mit einem langgezogenen „Maaa“ auszuatmen, ist erstmal ziemlich ungewohnt und gar nicht so ohne. Ich habe mich zum ersten Mal seit längerer Zeit selber gehört und das war zum einen erschreckend, unangenehm und zur gleichen Zeit sehr befreiend, beruhigend und schön. Warum fällt es uns so schwer, auf uns zu hören? Warum ist das manchmal vielleicht sogar so unangenehm, dass wir einfach weghören und so tun, als gäbe es keine innere Stimme, die uns was zu sagen hat? Warum passiert es so schnell, dass wir uns nicht zeigen, wie wir sind? Sind wir nicht genug?
Es ist schöne das wir am Jugendseminar das Angebot bekommen, unsere Stimme zu entdecken.
Wir schauen was Sprache mit uns macht und was wir manchmal mit ihr machen können. Es ist schön einen Raum zu haben, in dem ich meine Stimme benutzen und mich hören darf. Es ist schön, dass ich mich zeigen darf. Mit meiner Stimme und mit meiner Sprachlosigkeit. Vielleicht muss man nicht immer auf die Suche in weite Fernen gehen oder mit tausend verschiedenen Menschen reden, um zu finden, was man eigentlich möchte. Vielleicht ist es manchmal schon sehr hilfreich und heilsam durch einfache Übungen mit der Stimme wieder ein bisschen mehr Kontakt zu seinen Mitmenschen, zu seinen Sehnsüchten, Wünschen, Fragen und vor allem zu sich selbst zu bekommen.