von Lisa //
Der Morgen hier im Jugendseminar ist etwas ganz Besonderes. Man
stellt sich nämlich nicht einfach den Wecker, sondern wird geweckt und zwar meistens mit Gesang. Diese Woche sind zwei männliche Kandidaten am Start und ich wache mit einem Lächeln auf den Lippen auf, als ein schiefer Ton dem anderen folgt. Nach einem kurzen Moment klopft es an der Tür: „Guten Morgen Lisa, aufstehen, es gibt Frühstück!“- Man könnte ja jetzt schlussfolgern, dass ich aus dem Bett steige und zum Frühstück gehe, wo selbst gebackenes Brot, Haferflocken, Obst und meine Zimmernachbarn auf mich warten, aber ich drehe mich noch einmal um und wache dreißig Minuten später auf.
Die ersten Sonnenstrahlen des Tages kommen durch mein Fenster und ich kann mit guter Laune in den Tag starten. Ich schaffe es noch zu den letzten paar Minuten des Frühstücks, schnappe mir eine Banane und setze mich ins Wohnzimmer, wo noch ein paar Andere sind, mit denen ich über Gott und die Welt sprechen kann. Kurz vor acht gehe ich noch einmal in mein Zimmer, mache mein Bett, putze meine Zähne und dann höre ich schon das Klingeln.
Der Tag beginnt mit Energie.
Das Klingeln bedeutet, dass Marco da ist. Fast jeden Morgen nehmen wir uns eine Viertelstunde, in der wir gemeinsam wach werden, Bodypercussion machen und vor allem singen. Manch einer, der uns dabei zuschauen würde, wäre vielleicht erstmal etwas skeptisch (das war ich am Anfang auch), aber wenn man ganz dabei ist, ist das ein unglaublich toller Start in den Tag. Klar verfolgt einen den ganzen Tag das Lied, das man am Morgen gesungen hat, aber man hat gleich viel mehr Energie und gute Laune. Der erste Kurs des Tages ist der Morgenkurs. Das Tolle dabei ist, dass er jede Woche wechselt und wir unterschiedliche Dozenten mit total unterschiedlichen Themen haben. Man bekommt somit im Jugendseminar unglaublich viele Eindrücke und Ansichten mit auf den Weg.
Danach haben wir erstmal eine halbe Stunde Pause. Ich gehe kurz nach draußen, weil die Sonne so schön scheint, komme aber schnell wieder rein, weil es doch kälter ist, als ich dachte. Ich mache mir eine große Kanne Tee und lese noch für die restlichen Minuten der Pause. Dann ziehe ich mich schnell für Bothmer (eines unserer zwei regelmäßigen Bewegungsunterrichte) um und gehe nach unten in den Saal. Max hat die Idee, dass wir die Stunde mit Raumball beginnen – wir haben alle Spaß und können uns schon mal ein bisschen auspowern. Danach üben wir uns im Jonglieren und Stockfechten und schließen mit ein paar Bothmerübungen ab. Nach einer kurzen Pause haben wir Sprache bei Saskia. Wir machen viele Übungen, es geht um Aussprache, Betonung und Tiefe. Dann gehen wir an die Texte, die wir für unseren Trimesterabschluss einstudieren.
Den Abend mit Gitarre und Lagerfeuer ausklingen lassen.
Viele gehen jetzt in der Mittagspause in die Mensa, aber einige bleiben auch hier und kochen selbst (mich eingeschlossen). Ich koche mit zwei anderen Seminaristen, wir bringen zusammen, was wir da haben und essen gemeinsam im Wohnzimmer. Die Stunde, die mir jetzt von der Mittagspause noch übrig bleibt nutze ich, um ein paar E-Mails zu beantworten und etwas zu arbeiten. Um halb drei haben wir dann Chor, der findet einmal pro Woche unter Marcos Leitung statt. Wir sitzen in einem Stuhlkreis, wärmen unsere Stimme auf, singen Lieder, die wir schon kennen und lernen Neue dazu.
Danach bin ich erst- mal ziemlich platt und ziehe mich in mein Zimmer zurück, lese und entspanne mich im Bett. Ich übe ein bisschen an der Gitarre und dehne mich, ich will nämlich unbedingt lernen, Spagat zu machen. Später mache ich mich auf den Weg zum Einkaufen. Ich genieße so noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages und komme etwas raus. Zurück im Jugendseminar mache ich mir wieder eine große Kanne Tee. Vor dem Haus hat jemand ein Lagerfeuer gemacht und ich setze mich für eine Weile dazu und genieße das Licht und die Wärme, während die Sonne langsam untergeht. Ich gehe dann noch einmal nach unten in den Computerraum und arbeite eine Weile, bevor ich mich ins Wohnzimmer setze und den Abend mit ein paar sehr interessanten Gesprächen und viel Gelächter ausklingen lasse. Ich springe noch schnell unter die Dusche, putze mir die Zähne und lege mich ins Bett. Meine Mitbewohnerin und ich tauschen uns kurz über unseren Tag aus und ich schließe meine Augen. Kaum bin ich eingeschlafen, so kommt es mir vor höre ich schon wieder: „Guten Morgen Lisa, aufstehen, es gibt Frühstück!“