Von Valentin Geer //
Mein Weg ans Jugendseminar begann letztes Jahr um Pfingsten, als ich mit meiner Familie in der Toskana im Urlaub war.
Ich war in sehr übler Verfassung, da ich seit Jahren in einer Krise steckte, nach irgendetwas suchte, es aber nicht finden konnte. Ich hatte gerade eine Ausbildung zum Schreiner begonnen, die mir auch anfangs gefallen hatte, doch ich wusste nicht, was ich damit anfangen wollte. Ich wusste nur, dass ich nicht als klassischer Schreiner arbeiten wollte.
Wo ist mein Platz in der Welt?
Ich hatte viel Stress in der Schule, da ich ständig zu spät kam und auch im Unterricht Schwierigkeiten hatte mich zu motivieren.
Nun ja, ich spielte schon mit dem Gedanken die Ausbildung hinzuschmeißen, doch fiel mir auch nichts Besseres ein, was ich stattdessen tun könnte. Ich hatte schon etliches, von Studium über Orientierungsjahr bis Freiwilligendienst ausprobiert, und doch fühlte ich mich immer noch, als könnte ich nirgends so richtig landen.
Wanderung
Meine Eltern holten mich in Berchtesgaden ab, wo ich dabei war die Ausbildung zu machen. Wir fuhren nach Italien, nach Florenz, verbrachten dort ein paar bildungsreiche Tage und fuhren dann weiter zu Freunden, die in der Nähe von Siena wohnen. Meine Eltern und Geschwister fuhren nach einer Woche wieder zurück nach Deutschland. Ich entschloss mich spontan, noch länger in Italien zu bleiben und mich auf den Weg nach Assisi zu machen. Ich hatte schon oft von Franz von Assisi gehört, und da ich nun in der Nähe war, dachte ich, es wäre eine gute Gelegenheit, dorthin zu wandern, da ich das seit langem auch schon vorgehabt hatte, ob Jakobsweg oder nun hier.
In Assisi
Auf dem Weg passierte so einiges: Mir wurde mein Handy geklaut, ich fand ein neues, das ich an den Besitzer zurückgeben konnte, mir wurde eine Flasche Wein dafür geschenkt, ich kaperte kurzzeitig ein Ruderboot, fühlte mich wie ein Pirat, verbrachte schlaflose Nächte unter freiem Himmel voller Mücken, fuhr per Anhalter und mit dem Zug, bis ich schließlich in Assisi ankam.
Dort besichtige ich ebenfalls die Stadt, die zahlreichen Kirchen und suchte nach einer Jugendherberge, die, wie ich herausfand, jedoch seit einem Jahr geschlossen war.
Heimatlos
Eigentlich wollte ich gar nicht mehr zurück nach Deutschland und überlegte, wohin ich als nächstes ziehen würde, doch mir ging das Geld aus und meine Verzweiflung wuchs. Ich entschloss mich, mit dem Zug Erstmal Richtung Florenz zurückzufahren um dort einen FlixBus nach München zu nehmen. Zwischenstopp machte ich in Perugia, wo mich nach endloser Suche ein komplett leerer Bus, der nach Florenz gefahren wäre, nicht mitnehmen wollte, da ich kein Rumäne war und er ja anschließend nach Rumänien fuhr…ich fühlte mich komplett verarscht. So nahm ich den Zug. Ich lernte auf der Fahrt einen jungen Spanier kennen, verbrachte die Fahrt palavernd mit ihm und stieg schließlich in Florenz aus.
Wie es das Schicksal so will
Nun musste ich erneut den Busbahnhof finden, mit der
Hoffnung ein Ticket buchen zu können und einen Bus, nach Deutschland zu finden. Ich befand mich im Bahnhof, ließ mich treiben, ging die Treppen runter, kam in eine Unterführung, in der die Menschen hierhin und dorthin strömten.
Ich hielt kurz inne, da hörte ich Stimmen, die deutsch sprachen. Ich drehte mich um und sah drei junge Kerle, die nebeneinander herliefen, witzelten und im Begreifen waren, an mir vorbei zu rauschen. Ich überlegte kurz, war schon dabei weiterzugehen, da entschloss ich mich kurzerhand, sie doch anzusprechen:
„He Yo, ich hör ́ ihr sprecht deutsch. Wisst ihr wo hier der FlixBus abfährt?“
Immer noch in Italien
Nick strahlte mich an und fing sofort an mich auszufragen, woher und wohin ich denn unterwegs sei. Ich erzählte kurz, dass ich wandern gewesen war und nun zurück nach Deutschland wollte.
Im Gegenzug erzählten sie mir (die anderen beiden stellten sich als Stefan und Tim vor), dass sie vom
Waldorlehrerseminar aus Stuttgart wären und gerade auf Kunstfahrt seien. Sie erzählten mir, dass sie gerade eine Art Steinmetzmeditation auf einem kleinen Gehöft in den Hügeln außerhalb von Florenz machten und nun auf dem Rückweg dorthin seien, also auch zum Busbahnhof müssten. Ich ging mit, versuchte ein Ticket nach München zu buchen, man teilte mir jedoch mit, dass das nur online möglich wäre. So nahm ich deren Angebot an, doch einfach mit ihnen mitzukommen.
Immer, Immer noch in Italien und Suttgart
Der Ort war beeindruckend und ich ließ mich auf das Abenteuer ein. Ich hatte ja nichts zu verlieren. Wir verbrachten noch zwei Tage dort, dann ging es auch für sie an die Rückfahrt. Nick hatte einen Platz im Auto, so konnte ich mit zurück nach Deutschland fahren. Wir überlegten unterwegs noch ständig wo sie mich rausschmeißen könnten, doch irgendwie wollte es das Schicksal so, dass ich in Stuttgart landete.
Ich konnte nach langer Diskussion bei Anabel, Stefans Freundin, in der WG schlafen, wurde gleich zum
Forró-Festival mitgeschleift, wurde über den Hügel geführt und lernte die Waldorfwelt kennen. Stefan und Nick, beide ehemalige Seminaristen, erzählten mir viel von der Anthroposophie und dem Jugendseminar, das ich mir dann auch anschaute. Ich entschloss mich dann auch, dort zu hospitieren, obwohl die Ferien längst vorbei waren.
Ankommen
Es gefiel mir gut. Ich fühlte mich gesehen, verstanden. Ich verpasste insgesamt drei Mal (freiwillig und unfreiwillig) den Bus zurück nach Berchtesgaden, wobei das erste Mal noch vor der Hospitation war und ich mich im letzten Moment, als ich schon im Bus war, entschied den Bus doch nicht zu nehmen und in Stuttgart zu bleiben.
Schließlich fuhr ich zurück nach Berchtesgaden. Es dauerte noch bis Ende der Sommerferien, bis ich einen Entschluss fassen konnte, die Ausbildung sein zu lassen und nach Stuttgart ans Jugendseminar zu gehen.
Ich bin sehr froh darüber, diesen Entschluss gefasst zu haben!