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Der Schritt auf die Bühne

Am Ende jedes Trimesters gibt es am Jugendseminar ein interne und ein öffentliche Aufführung, bei der die Seminaristen zeigen können, was sie gelernt haben. Das Wagnis in die Öffentlichkeit zu treten macht Angst, lohnt sich am Ende aber fast immer, weil man sich, dem was zeigt und dem Publikum auf davor unbekannte Weise begegnet.
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Von Regina //

So wie bei einer Blume der Tag kommt, an dem sie ihren Kelch öffnet und ihr Inneres der Welt zeigt und teilt, so folgt auch im Jugendseminar auf jedes Trimester eine Zeit, in welcher wir auf der Bühne Einblicke in die unsere Arbeit ermöglichen. Die dreimal jährliche interne Abschlusswoche am Jugendseminar mit dem sich anschließenden öffentlichen Abschluss ist dieses Ereignis.

Warum muss ich auf der Bühne zeigen was wir in Sprachgestaltung, Bothmergymnastik, Eurythmie und Chor geübt haben, wenn es doch ausschließlich dafür war, an mir zu arbeiten? Kein Dozent widersprach uns, dass die Unterrichtsarbeit wirklich nur für uns sei, wir fanden sogar Bestätigung – jedoch mit der Ergänzung, dass ein Prozess in den genannten Unterrichtsfächern nur dann abgeschlossen sei, wenn er zur Präsentation gebracht wurde.
Wir sträubten uns, das wollten wir nicht wahrhaben und suchten in langen Diskussionen um eine andere Ansicht. Was fehlt, wenn man ein erarbeitetes Theaterstück nicht aufführt? Was fehlt, wenn man ein Gedicht nur im Kämmerlein aufsagt?

Die Bühne, unumstritten für mich, hilft mir, die Verbindung zwischen Gedicht und Ich zu schaffen und nach außen zu tragen. Zu zeigen, für mich und die Welt: Ich bin!

In der letzten Woche des Trimesters ist Ausnahmesituation im Jugendseminar. Anstatt der Morgenkurse und Hauptkurse ist für jeden Hauptkurs ein Vormittag reserviert, an welchen wir in der internen Aufführung zeigen, was wir gearbeitet haben. Den ersten Abschlusstag meines ersten Trimesters gehe ich mit meinen zwei Trimesterkollegen in Bothmergymnastik auf die Bühne. Davor habe ich am wenigsten Furcht, denn meine Ahnung ist, dass es mir hier am leichtesten fällt, einen kühlen Kopf zu bewahren. So ist es auch. Bewegungen, Übungen, ein guter Stand. Da erlebe ich: Die Bewegung hat heute einen besonderen Einfluss auf die Welt um uns. Hinzukommend nehme ich heute so viel mehr als sonst wahr: dass ich den Raum nicht alleine bewege. Meine Trimesterkollegen und ich sind in diesen Momenten eine Kraft.

Der darauf folgende Tag ist jener der Sprachgestaltung. Die Furcht ist groß. Ich will präsent sein, stark und einen Eindruck hinterlassen. Klopfenden Herzens betrete ich die Bühne. Was ist es das sich bildet im Raum, sobald man Publikum gegenübertritt? Als speise sich aus dem Gegenüberstehen eine Kraft, die mir einen Respektraum, einen „MutRaum“ öffnet. So bewege ich mich über die Bühne, spreche und stehe da als ein: Ich bin. Hundert verschiedene Gedichtversionen sind nicht mehr notwendig, weil diese eine, heutige, den Funken meines Selbst in sich trägt. Ganzheit und Bruchteil zugleich. Ende und Anfang in einem. Hätte ich mir in meinem Kämmerchen allein begegnen können? Die Bühne, unumstritten für mich, hilft mir, die Verbindung zwischen Gedicht und Ich zu schaffen und nach außen zu tragen. Zu zeigen, für mich und die Welt: Ich bin!

Solche Kunst hat nicht das Bedürfnis still zu bleiben, sondern will laut sein.

Während der ersten Schritte des Vorführens bereits erlebe ich, dass solche Art der Kunst, wie Schauspiel oder Tanz, das Zeigen verlangt. Sie hat nicht das Bedürfnis still zu bleiben, sondern will laut sein, die Seelen bewegen ganz bewusst. Innen und außen, oben und unten, hinten und vorne. Alles was da ist, schwingt mit. Ist berührt, bewegt, genährt.

Dem internen Abschluss folgt der Samstag, an welchem das Seminar seine Türen öffnet für alle Gäste. In reibungslosem Ablauf reisen sie mit uns durch die Frucht der vorangegangenen drei Monate. Nahe Verwandte sehen mich zum ersten Mal unseren Künsten nachgehen. Menschen sind inspiriert von diesem bunten Ort – Alle gehen gekräftigt nach Hause.

Ich bin dankbar, nicht davongelaufen zu sein. Die gepackten Koffer standen innerlich neben mir. Ich habe mich dem Abschluss gestellt. Erhellung bringt der Abschluss darüber, sich selbst nicht zu unterschätzen, den eigenen Einfluss zu erleben und anzuerkennen.