Von Paulina //
Als ich beschloss, ans Jugendseminar zu gehen, schlugen mir aus meinem Umfeld viele Vorurteile entgegen. Es ist sehr anstrengend sich vor vorurteilsbehafteten Menschen immer wieder für eine Sache rechtfertigen zu müssen, deren Sinn sie nicht einmal verstehen wollen.
“Was hast du denn danach für Qualifikationen?”, “Was nützt dir das denn?”, “Verdienst du dort etwas?”, “Hast du dann keine Lücke im Lebenslauf?” sind nur ein paar der Fragen, die mir häufig gestellt wurden. Wenn man dann beim Versuch einer Erklärung noch Schlagworte wie “Selbstfindung” und “Waldorf” fallen lässt, ist die Skepsis endgültig geweckt.
Es gibt so viele junge Menschen, die nach dem bloßen Absitzen ihrer Schulzeit einfach aus Orientierungslosigkeit irgendein Studium anfangen.
In den Kopf dieser Leute passt die Vorstellung nicht, dass es noch etwas anderes als den 08/15 Weg gibt, und dass das Seminar mehr ist als eine “Spaßveranstaltung”, wo man aus Orientierungslosigkeit die Zeit überbrückt, bis man einen “richtigen” Beruf gefunden hat. Es gibt so viele junge Menschen, die nach dem bloßen Absitzen ihrer Schulzeit einfach aus Orientierungslosigkeit irgendein Studium anfangen (jenes, das ihnen am wenigsten schlimm erscheint), meistens etwas Unspezifisches wie z.B. Lehramt (natürlich gibt es auch viele, die das aus einer richtigen Motivation studieren!). Das ist sicher und einfach, man hat sozusagen sein ganzes Leben im Voraus schon geplant: ein festes Einkommen, Beamtenstatus und viel Ferien, was braucht man mehr?
“Jeder weiß, dass die Schule nicht das Leben ist. Mein Leben aber ist die Schule, was heißt, dass da etwas falsch gelaufen sein muss.”
Auf der Uni ist man dann eigentlich wieder im gleichen System wie in der Schule, man muss sich also nicht mal auf etwas Neues einstellen, sondern bekommt genau das vorgesetzt, was man schon kennt. Man sitzt seine Zeit ab, jammert darüber dass man viel zu viel Wissen auswendig lernen muss, das man später sowieso nicht braucht, lernt es trotzdem auswendig und vergisst es nach der Prüfung sofort wieder. Nach der Uni werden diese Leute dann auf die Schüler losgelassen, um sie aufs Leben vorzubereiten, ohne je das Leben selbst erlebt zu haben, außerhalb von Schule und Uni. Im Dokumentationsfilm “Alphabet” äußert sich eine Schülerin so darüber:
“Jeder weiß, dass die Schule nicht das Leben ist. Mein Leben aber ist die Schule, was heißt, dass da etwas falsch gelaufen sein muss(…)”.
Die Orientierungslosigkeit und Motivationslosigkeit der Jugend kommt ja nicht aus dem Nichts.
Besonders viele Lehrer, aber auch Menschen aus anderen Berufsgruppen, kommen heute früher oder später an einen Punkt, wo sie ihre Lebensgestaltung überdenken, weil sie eine “Sinnkrise” haben. Manchen wird das auch erst durch Burnout oder Depression bewusst.
Das Freie Jugendseminar ist dafür so etwas wie eine Prävention.
Es ist eine große Chance, dass wir am „Anfang“ unseres Lebens uns bewusst machen, was für uns Sinn ist und was eigentlich echte Bildung bedeutet.
Die Orientierungslosigkeit und Motivationslosigkeit der Jugend kommt ja nicht aus dem Nichts, sondern oft dadurch, dass wir durch dieses starre System, in dem keine Individualität geduldet wird, von unserer Menschlichkeit weggebracht werden. Und die können wir im Jugendseminar wieder entdecken und damit hoffentlich die Grundlage für eine bessere Zukunft schaffen, denn Maschinen wird es dort genug geben. Es wäre schön, wenn das irgendwann auch die vorurteilsbelasteten Menschen sehen könnten.