Von Evangelina //
Durch das Bedürfnis einiger Seminaristen, neben den Bewegungs- und Sprachkünsten auch noch handwerkliche Kunst zu machen, entstand im Frühjahr 2020 die _Kunstgruppe._ Mit der Hilfe von Florian Klette eröffnet sich hier allen, die eintreten, eine bunt, abstrakte, kreativ, heilsame Welt, in der man loslassen, probieren und staunen darf, sich begegnen, befreien und Widerständen trotzig stellen kann. Das erste Treffen endete bei mir in einem Gefühlsausbruch ohne Gleichen. Die ewige Sinnsuche und das Streben nach Perfektion und Vollkommenheit hatte so viel Raum in meinem Leben eingenommen, dass die Leichtigkeit keinen Platz mehr fand. Kein Pinselstrich ohne Ziel, kein Schritt ohne Weg, kein Sein ohne Sinn.
Gutmenschentum und Anpassungswahn drohen uns zu ersticken
Die Natur ist ein sich selbst regulierendendes, gleichgewichtsorientiertes System. Wir sind Natur, die aber im Stande ist, ihr eigenes Wesen und die absolute Liebe zur Freiheit zu unterdrücken. Und ich frage mich, was man wirklich braucht, um sich lebendig zu fühlen. Ist der Grund für das Brechen von Regeln, das Sündigen und Böses tun vielleicht der Versuch der ewigen Vernunft, ein gesundes Gegengewicht entgegenzubringen? Drohen wir nicht zu ersticken an den Dogmen unseres Gutmenschentums und Anpassungswahns? Was ist real? Und was brauchen wir wirklich, was wir nur auf destruktive Art bekommen können?
Die eigene Lebendigkeit spüren
Ich zumindest wusste nicht, dass ich die Sinnlosigkeit so sehr brauche wie der Frühling den Herbst, bevor ich sie in mein Leben strömen ließ. Dinge zu tun, nicht nur, um irgendein Ziel zu erreichen, einen Zweck zu erfüllen. Dinge auch tun aus Lust am Moment, Freude am Sein, um die eigene Lebendigkeit zu spüren. Entscheiden wir selbst, welchen Weg wir gehen oder lässt uns die Angst keine Wahl?
Kunst erlaubt uns, an unsere Grenzen zu stoßen, Widerstände zu erforschen und zeigt uns, wer wir wirklich sind. Mir schenkt sie sehr viel Kraft und Mut, das zu betrachten, was unangenehm, schmerzhaft und hässlich ist. Kunst hilft mir, meine eigenen Prozesse aushalten zu lernen. Dabei begleitet uns Florian, der uns stets ermutigt, uns unseren Widerständen zu stellen, neue Perspektiven einzunehmen und dabei abstrakte, komische Fragen stellt. Er selbst stürzt sich dabei in einen radikal ehrlichen Prozess, der für uns einen wichtigen Raum schafft und versucht voller Neugier zu verstehen, was die Kunst mit uns macht.
Spielerisch, kindliches Sein
Freudiges aufspringen und Faszination bei dem furchtbaren Geräusch des Zersägens eines großen Stück Blechs, der Aufprall einer Axt auf ein splitterndes, reißendes Stück Holz, intuitives Gekritzel mit Kohle auf Papier, das Eintauchen in die Dimensionen der Farben..
Dieses spielerisch, kindliche Sein kann uns zu unseren wahren Bedürfnissen zurückführen und ist doch selbst ein absolutes Grundbedürfnis.
„Ein Künstler ist jemand, der im Stande ist, zwei widersprüchliche Gedanken zu haben, ohne gelähmt zu sein“