Von Tobias //
Bereits morgens, wenn der Großteil meines Bewusstseins noch im Traum umherwandelt und der andere kleinere Teil, der schon zurück auf Erden ist, sich müde unter die Decke kuschelt, in der Hoffnung, noch ein bisschen länger in ihr versinken zu können, beginnt ein ganz gewöhnlicher Tag am Freien Jugendseminar mit Musik. Die leisen zarten Töne einer Kalimba, ein einzelner mutiger Sänger oder ein Gitarrenspieler, der an unsere Zimmertür klopft und meinem morgendlichen verschlafenen ich immer wieder so vorkommt, als wäre er aus einer anderen Welt geschickt. Hin und wieder durchdringen auch elektronisch verstärkte Klänge aus einer Musikbox die morgendliche Ruhe, oder, wie ich es am meisten liebe, es findet sich ein ganzer Chor ein, um uns an diesem neuen Tag willkommen zu heißen. Teils im Kanon, teils mehrstimmig, dann und wann etwas schief, aber oft lachend, viele bewegte Stunden und Augenblicke versprechend.
Musik begleitet uns ständig.
Musik begleitet uns ständig, beinahe zu jeder Zeit. Bevor die Kurse beginnen, singen wir alle gemeinsam für eine Viertelstunde. Das macht wach und reicht, damit uns die Lieder den ganzen Tag über in den Köpfen herumschwirren. Bin ich gerade einmal einen Ohrwurm losgeworden, schnappe ich ihn bei einer kurzen Begegnung auf dem Flur auch schon wieder auf. Den gleichen, oder auch einen anderen. Auf jeden Fall schwebt immer die ein oder andere Notenzeile durch meine Gedanken. Zu Beginn gab es noch keinen Artikel über die Musik im Seminar. Dabei nimmt sie einen so wichtigen Raum in unserem Alltag ein und unser gemeinsames Motto heißt doch ZusammenKLANG.
Wir lernen uns durch Musik kennen.
In diesem Sinne verbindet besonders die Musik Menschen und Kulturen miteinander. So manche erste gemeinsame Tat, zweier noch fremder Seminaristen, ist das gegenseitige Beibringen eines Liedes. Meist handelt es sich dabei um eins in einer anderen Sprache oder aus einer anderen Kultur. Aber immer ist es schön und sehr besonders. Während der Geburtstagserzählungen erklingt so manches davon dann noch einmal zum Abschied.
Das Akkordeon im Garten, die Geige im Zimmer und das Cello von nebenan.
Beim Morgensingen und beim Chor haben wir die Möglichkeit, neue Lieder zu lernen und dabei ist es faszinierend zu erleben, wie schnell jedes Mal ein Zusammenklang entsteht und wie wir bald mehrstimmig, bald im Kanon miteinander singen können. Singen ist eine Beschäftigung, bei der alle dabei sind, mehr oder weniger begeistert und mit unterschiedlichen Vorlieben für die einzelnen Lieder. Aber doch hat irgendwie jeder eine Ambition zur Musik. Jeden Tag höre ich die vielen Klaviere im Haus erklingen oder Akkordeons im Garten, eine Geige im Zimmer unter mir, ein Cello von nebenan und natürlich immer die tausenden Melodien auf den Lippen der Einzelnen beim Kochen, Essen, Spazierengehen, beim Putzen und beim Faulenzen, beim Nachdenken, Aufräumen, Malen, Lesen und beim Wolken beobachten.
Jetzt muss ein Lied her!
So ist die Musik etwas, womit sich das Wort “Zusammenklang” sehr gut beschreiben lässt. Wenn wir gerade eine anstrengende, nervenaufreibende, diskussionsreiche Besprechung, wie es im Kolloquium das ein oder andere Mal passiert, hinter uns haben, sind alle sich in einer Sache sicher einig: Jetzt muss ein Lied her. Oder vielleicht auch zwei? Singen könnten wir den ganzen Tag.