Von Jessica //
Endlich begann die lang ersehnte Malwoche. Schon am Ende meines ersten Trimesters (das Herbsttrimester) sehnte ich mich nach einem praktischen Morgenkurs, der mich in den Bann der Kunst und der Kreativität ziehen würde.
Kann ich mehr sehen?
Wir beschäftigten uns in den ersten zwei Tagen mit der Fremdwahrnehmung des Porträts. Wie nehme ich mein Gegenüber wahr? Sehe ich wirklich nur, wie bei einem Foto ein Abbild des Porträts oder ist da mehr? Formen oder vielleicht sogar Farben, die ich in dem Anderen erkenne, wenn ich mir wirklich Zeit dazu nehme, ihn richtig anzuschauen? Mit verschiedensten Übungen tasteten wir uns an unsere Wahrnehmung und kamen ihr mithilfe des Zeichnens und des Malens auf die Spur.
In den weiteren Tagen beschäftigten wir uns mit Selbstporträts und Selbstwahrnehmung.
Wie empfinde ich mich selbst? Sehe ich mich nur im Spiegel oder kann ich mir auch anders gewahr werden? Mithilfe von kurzen Meditationen stimmten wir uns ein und beobachteten unser Innenleben. Was verspüre ich ohne die Augen oder den Tastsinn zu nutzen? Welche Farben, Formen und Gefühle tauchen in meinem meditativen Blickwinkel auf? Ist es ein anderer Blickwinkel als wenn wir uns im Spiegel betrachten?
Das Erlebte in Kunst verwandeln
Ja, es ist ein gewaltiger Unterschied. Ich schaute nicht mehr darauf, wie ich äußerlich aussah, sondern wie ich mich innerlich fühlte und lernte mich somit von einer anderen Seite kennen, die ich zuvor nicht wahrgenommen hatte. Es ging nicht darum ein perfektes Porträt von
mir zu zeichnen, sondern das in der Meditation Erlebte auszudrücken und in Kunst zu verwandeln und somit dem Außenstehenden das erlebte Gefühl zu vermitteln.
In der Stuttgarter Staatsgalerie wechselten wir dann wieder unseren Blickwinkel vom schöpfenden Künstler zum wahrnehmenden Betrachter. Es war das erste Mal dass ich mich mit einer Gruppe 1 bis 2 Stunden vor ein Kunstwerk gesetzt habe. Es erst nur wirken zu lassen und dann unsere Wahrnehmungen auszutauschen war beeindruckend. Wir bemerkten, dass doch jeder eine andere Wahrnehmung hat und das Kunstwerk auf jeden anders wirkte.
Die Malwoche war wie die Kunstwerke in der Staatsgalerie eine Entdeckungsreise zu unserer Wahrnehmung. Jeder erlebte diese auf seine Weise und doch erlebten wir sie zusammen. In dieser Zeit hat jeder sich ein Stück weit näher betrachtet und alle haben sich und die anderen ein Stück weit näher wahrgenommen.