Von Olivia //
In unserer Bauwoche wurden die vielen Schichten und Geschichten, die im Seminar sich verstecken, durch die engagierte Arbeit der SeminaristInnen sichtbar gemacht. Denn wenn man vor der Aufgabe steht, etwas zu renovieren, muss man erst einmal Platz schaffen, damit etwas Neues entstehen kann.
Unser Projekt für die Woche war, die Wände von unserem Zimmer mit weißer Farbe zu streichen. Aber dafür mussten wir zuerst die reparierte Wand an einer Stelle abschleifen. Als wir arbeiteten, kamen viele Schichten Farbe zum Vorschein, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben: Rot, Grün, Türkis, Gelb, Dunkelblau, Orange. In diesem Moment kam ich ins Nachdenken…
Gleichzeitig, vor dem Haus, als die anderen SeminaristInnen das Geländer der Treppe abgeschliffen haben, kamen ältere Farbschichten zum Vorschein. Durch diesen Farbmix entsteht ein sehr spannendes Bild!
Auch hinter dem Haus beim Schuppen wurde uns angeboten, das Dach sauberzumachen in der Zeit.
UND SO BIN ICH NOCHMAL AUF WEITERE SCHICHTEN GESTOßEN …
Das Dach war gedeckt mit einem wundervollen Kompost. Dieser bestand aus Blättern, die sich über die Jahre gesammelt haben und zu Erde verwandelt wurden. Es war so viel Erde, dass diese die Struktur des Gebäudes beschwerte und bedrohte…
Als wir das Dach sauber gemacht haben, kamen wir zu der Idee, dass die Erde irgendwo anders gebraucht werden könnte… Und so haben wir sie vor das Haus gebracht, um einen neuen Garten vorzubereiten, in dem im Frühling neue Pflanzen wachsen können.
Bei diesen drei Erlebnissen kam mir eine Frage auf:
WIE VIELE SCHICHTEN SIND HIER IM JUGENDSEMINAR ENTHALTEN?
Die Zeit in jedem Trimester ist sehr intensiv und geht so schnell vorbei. Jetzt stell dir vor, 60 Jahre voll mit unglaublich vielen Menschen, mit so verschiedenen Vergangenheiten und Zukünften vor ihnen, gesammelt in jedem Teilchen des Hauses…
WIE VIELE GESCHICHTEN, WIE VIELE ERFAHRUNGEN, WIE VIELE FRAGEN HABEN HIER EIN ZUHAUSE GEFUNDEN?
Und während ich versuchte, mich in diese Frage zu vertiefen, dachte ich auch über die Schichten nach, die ich in mir trage; Schichten, die jeder Mensch mit sich trägt. Schichten, an die wir uns erinnern und auch, an die wir uns noch nicht erinnern können. Wie ein Paket, das wir mit uns nehmen, manchmal ist es schwer zu tragen und manchmal eine große Freude. Aber immer mit unendlichem Potenzial, uns etwas zu lehren und uns zu helfen, uns selbst zu verstehen.
Und wenn ich über diesen Prozess des Werdens nachdenke, wird mir klar, dass es wie eine Entfaltung aus sich selbst heraus ist.
Eine ständige Begegnung mit Schichten und Menschen, die Gefühle, Liebe und Mut hervorbringen. Hier im Seminar bin ich oft mit Fragen und Ängsten konfrontiert worden, die zu meinen Schichten gehören…
Wie bei jedem Umbau, und sei es das Abschleifen einer Wand oder eines Geländers oder das Saubermachen von vielen Kilos Erde von einem Dach; es erfordert Mut und Kraft. Und ähnlich ist es, wenn wir versuchen, unsere Schichten besser kennenzulernen.
Mit sich selbst in Kontakt zu kommen, ist keine Kleinigkeit. Ein Heilungsprozess, der voller Überraschungen auf dem Weg ist…
Es ist schwer, sich erst mit den vielen Schichten vertraut zu machen. Aber nur so kann man einen Garten mit neuen Pflanzen und wunderbarer Erde herrichten oder eine neue Farbe an die Wand streichen.