Von Yun //
In meinem ersten Trimester wurde mir von jemandem aus dem dritten Trimester gesagt, dass die Seminarzeit magisch sei, dass ein Trimester wie ein Jahr sei und nur immer schneller vergehen würde. Damals fiel es mir schwer, das zu glauben, aber allmählich wurde mir klar, es stimmt! Ein Trimester im Seminar ist wie ein Jahr. Die Zeit hier wird nicht nach wissenschaftlichen Methoden berechnet, sondern ist lebendig!
Bevor ich ans Seminar kam, hatte ich bereits zwei Jahre an der Universität in Taiwan studiert. Ich arbeitete mit meinen Freunden an verschiedenen Projekten. Ich bereitete mich auf meine Karriere vor und alles ging in die Richtung eines „normalen Menschenlebens“, aber ich war sehr unglücklich. Etwas stimmte nicht. Ich war unzufrieden mit meinem Leben. Die zwei Jahre, die ich an der Waldorfschule verbracht hatte, weckten in mir den Wunsch, diese Pädagogik und Philosophie weiterzuerforschen. So beschloss ich, nach Deutschland zu gehen. Ich habe die Tendenz, die schnellsten Antworten und Lösungen für Dinge zu finden, aber ich habe beschlossen, mir ein Jahr Zeit zu geben, um darüber nachzudenken, was ich in meinem Leben tun möchte. Wer bin ich? Wohin will ich? Ich folgte dem Ruf meines Herzens und wusste, dass ich hierherkommen muss, um zu lernen, was ich in Taiwan nicht lernen konnte. So begann meine Reise zum Seminar
ERSTES TRIMESTER – „WÄRMEND“
Am ersten Abend des Trimesters hatte ich meinen Wunsch für das Trimester aufgeschrieben: Vertrauen
Als Einzelkind hatte ich mir immer gewünscht, in einer großen Familie aufzuwachsen. Jetzt, da ich in der Gesellschaft von 30 Menschen aus verschiedenen Kulturen bin, umgeben von Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit, werde ich mich darin üben, mich zu öffnen, um zu lernen, anderen, wie auch mir selbst zu vertrauen, denn genau darum geht es beim „Teilen“.
Natürlich nicht nur materiell, sondern auch meine inneren Gefühle zu teilen. Zu teilen, wie ich mich fühle, wie mein Tag verläuft. Durch diese herzliche Gruppe habe ich mich nach und nach geöffnet. Die Wärme und Aufrichtigkeit des Seminars haben mich gelehrt, mich zu entspannen, frei von zielgerichteten Erwartungen zu sein, sowohl an mich selbst als auch an andere. Es lehrte mich darin zu üben, wütend zu sein, mich selbst dabei zu betrachten, um zu sehen, warum ich wütend bin. Ich lerne, meine Fähigkeiten zu betrachten und dass alle Dinge ihre Zeit brauchen. Nur, wenn ich mich öffne und meine Vorurteile loslasse, kann ich Neues aufnehmen.
ZWEITES SEMESTER – „NÄHREND“
Nach einem zweimonatigen Urlaub und der Rückkehr ins Seminar fühlte ich mich wirklich angekommener. Mein Deutsch hat sich verbessert. Ich verstand mehr im Morgenkurs und hatte einen Weg gefunden, wie ich in der Gruppe, ich selbst sein kann. Ich wollte mehr!
Philosophie der Freiheit, Extra-Eurythmie … Ich versuchte so viel, wie möglich aufzunehmen. Für meine eigene Entwicklung komme ich weiter, aber als Seminarist, was können wir für das Seminar gemeinsam schaffen? Ich wollte auch einen Beitrag für diesen Ort leisten. Durch verschiedene Projekte habe ich meine Rolle im Seminar gefunden.
DRITTES TRIMESTER – „WACHSEND“
Auf der Grundlage der vorangegangenen zwei Trimester kam im dritten Trimester das Projekt, die Bauwoche, meine Geburtstagserzählung und der kulturelle Austausch.
Dadurch habe ich angefangen zu überlegen, was ich vom Seminar mitnehmen kann. Meine Vorstellung von der Zukunft ist keine Lückenfüllerfrage mehr.
Die Zukunft ist nicht nur Länge und Breite, sondern auch Tiefe und Weite.
Durch das Seminar habe ich einen lebendigen Weg gefunden, um das Leben wirklich zu erfahren und die Antworten zu entdecken.