Von Fabini //
Die Erinnerung bietet niemals so etwas wie einen objektiven Blick in die Vergangenheit. Sie ähnelt wohl eher einer Geschichte, deren Erzähler ständig den Standpunkt wechselt …
Vielleicht beginne ich damit, kurz zu erklären, was eine Geburtstagserzählung ist und was es damit auf sich hat. Die Geburtstagserzählung ist keine (wie man annehmen könnte) Erzählung, die du an deinem Geburtstag hältst. Sie ist vielmehr eine Biographie-Erzählung, die sich nicht nur auf dein persönliches Leben bezieht, sondern auch über das deiner Eltern und deiner Großeltern.
DER EIGENTLICHE ABLAUF DES ABENDS
Das Atelier wird von allen für dich hergerichtet und dekoriert. Es wird also zu einem Raum des Wohlfühlens. Ein zu dir passendes Tafelbild, deine Kleider, Pflanzen und Kerzen. Nachdem du also in diesen schönen Raum eingetreten bist, fangen die „Sketche“ an. Es werden also Situationen vorgeführt, die zum einen natürlich sehr lustig sein können, aber in erster Linie dazu dienen, dich als Menschen mit deinen Charaktereigenschaften zu zeigen.
Anschließend kommt eine Honigdusche, in der jeder, der möchte und einen Impuls verspürt, dir etwas mitgeben und sagen kann. All das hat eine sehr beruhigende Wirkung und schafft einen Raum, in dem man ganz ohne Nervosität beginnen kann zu erzählen.
Nun folgen also die einzelnen Erzählungen der Biographien, die meistens mit Fotos der jeweiligen Person begleitet werden.
Nach den Erzählungen deiner Verwandten folgt nun abschließend deine Biographie.
Der Abend endet nach ca. drei Stunden mit einer Menge Umarmungen und einer Kleinigkeit zu essen, was sich die erzählende Person im Vorhinein wünschen kann.
MEIN PROZESS
Der Prozess startet mit den Interviews deiner Verwandten. Das war für mich einer der intensivsten Erfahrungen. Es hat mir sehr geholfen, meine Eltern und besonders ihren Umgang mit mir besser zu verstehen. Vielleicht auch einfach das Bild, was in meinem Kopf entstanden ist, indem meine Eltern selber auch nur Kinder sind, und sie während sie verspielt über eine Wiese laufen, mit ihren eigenen individuellen Problemen aufwachsen.
Ich kann mich gut an mein erstes Interview mit meiner Mutter erinnern. Der Anfang glich einem Roman, den du anfängst zu lesen und nach und nach mehr Zusammenhänge verstehen lernst. Und auch die Lust, weiter zu lesen, wird immer größer. Dann aber, ab einem bestimmten Moment, merkst du, dass es eben kein Roman ist, sondern persönlich wird und dass das, was du hörst, auch einen großen Einfluss auf dein Leben hat.
Dann beginnst du an deiner Biografie zu arbeiten.
Wie verlief die Schwangerschaft? Und wie die Geburt? Wie wurde ich als kleines Kind wahrgenommen und was war meine erste Erinnerung?…
Die Auseinandersetzung und Reflexion damit hatte für mich Ähnlichkeit mit dem Gefühl der inneren Reinigung. Denn da, wo Schmerz ist, ist auch Heilung und meidest du diesen Schmerz, meidest du diese Heilung!
Grundsätzlich bin ich mir in meiner eigenen Entwicklung bewusster geworden und das war eine unfassbar schöne Erfahrung.
ZUM SCHLUSS …
möchte ich noch erwähnen, dass auch die Erfahrung, eine andere Geburtstagserzählung zu hören, sehr bereichernd und schön sein kann. Dass wir uns doch alle irgendwie ähneln, teilweise die gleichen Unsicher- heiten und Ängste haben und auch Ähnliches im Leben anstreben. Es ist einfach schön, zu beobachten, wie Antipathie verschwinden kann, wenn die Möglichkeit besteht, eine Person ehrlich und wirklich kennenzulernen.